Auch aus Deutschland gibt es inzwischen konkrete Daten zu sexueller Belästigung in der Medizin. 76 % Ärztinnen und 62 % Ärzte der Charité berichteten in einer anonymen Onlinebefragung von Situationen im Berufsleben, die sie als sexuelle Grenzverletzung erlebten. Die häufigste Form waren verbale Grenzüberschreitungen wie abwertende Sprache und anzügliche Sprüche (62 % bzw. 25 %). Weitere Grenzverletzungen waren unerwünschter Körperkontakt, Geschichten mit sexuellem Inhalt, Nachpfeifen und Anstarren, sexuelle Angebote, Belästigung in Schrift- oder Bildform, Grapschen oder versuchtes Küssen, Vorteile für sexuelle Gefälligkeiten sowie sexuelle Übergriffe.

Bei den Ärztinnen ging die Belästigung fast ausschließlich von Männern aus, bei Ärzten überwiegend von Frauen. In den meisten Fällen waren die Täter Kollegen, wobei Frauen deutlich öfter durch Vorgesetzte belästigt wurden.

Die hohe Zahl von Ärztinnen und Ärzten, die mit Belästigung am Arbeitsplatz Erfahrung gemacht haben, unterstreicht laut Autoren die Notwendigkeit, das Thema offen zu kommunizieren, um für sexuelle Grenzverletzungen zu sensibilisieren und ihnen vorzubeugen.

Da solche Vorfälle in einer strikt hierarchischen Arbeitsumgebung offenbar häufiger auftreten, mahnen die Autoren organisatorische Veränderungen an. An der Charité gibt es schon seit 2016 zahlreiche Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Grenzverletzungen am Arbeitsplatz, inklusive einer Richtlinie und einem Programm zur anonymen Meldung von Verdachtsfällen.