In einer beispiellosen Aktion hat die gesetzliche Krankenkasse Viactiv hunderte Ärzt*innen in ganz Deutschland bei den Prüfungsstellen angezeigt und von ihnen nachträglich die Kosten für bereits durchgeführte Allergiebehandlungen ihrer Versicherten zurückgefordert. Begründung: Die verordneten Therapieallergene seien nicht zugelassen gewesen. Diesen Antrag hat die Prüfungsstelle Ärzte Bayern nun abgelehnt, da das Präparat verkehrsfähig, also auch erstattungsfähig sei.

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Die Prüfungsstelle Ärzte Bayern hat die Regressforderungen von Viactiv bezüglich Therapieallergenen abgelehnt.

Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) ist die beste und nachhaltigste Behandlung von Heuschnupfen und anderen Allergien. Wie das Allergo Journal berichtete, hat die Krankenkasse Viactiv Anfang des Jahres dennoch von zahlreichen allergologisch tätigen Ärzt*innen die Kosten für bereits durchgeführte Allergietherapien zurückgefordert (Allergo Journal 3/2022, S. 70 und Allergo Journal 4/2022, S. 61). Weil diese nicht zugelassen seien, so die Begründung der Krankenkasse für ihren Prüfantrag. Einige hundert Euro je Patient*in wurden allein für das erste Quartal 2020 beanstandet - bei der Behandlung mehrerer bei der Viactiv versicherter Patient*innen kann es hierbei also schnell um etliche tausend Euro gehen.

Einspruch eingereicht

Der Ärzeverband Deutscher Allergologen (AeDA) empfahl seinen hilfesuchenden Mitgliedern, sich zu wehren und sagte Unterstützung zu. AeDA-Präsident Prof. Ludger Klimek, Wiesbaden, betonte: "Das Verhalten der Viactiv verhindert die wirksamste und nachhaltigste Behandlungsform allergischer Erkrankungen. Die Patienten haben ein Recht auf diese Therapie und ihre Ärzte müssen darauf vertrauen dürfen, dass die Krankenkassen ihrer Verpflichtung der Kostenübernahme nachkommen."

Dieser Empfehlung folgend, haben Vertragsärzt*innen bei der Prüfstelle Ärzte Bayern dem "Einbehalt des beantragten Nachforderungsbetrags" widersprochen - konkret ging es hier um das Präparat Pollinex Quattro (Bencard). In der Begründung für ihren Einspruch heißt es unter anderem: Therapieallergene seien grundsätzlich zulassungsfrei, es sei denn, sie fallen unter die Therapieallergene-Verordnung (TAV). Für diese Therapieallergene gelte jedoch eine Übergangsregelung. Ausweislich dürfen gemäß § 3 TAV Therapieallergene weiterhin ohne Zulassung in den Verkehr gebracht werden, sofern sie bei Inkrafttreten der TAV hergestellt wurden, unter Brücksichtigung der Vorgaben eine entsprechende Anzeige erfolgte und ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde. Diese verkehrsfähigen Therapieallergene seien damit auch zulasten der Krankenkasse verordnungsfähig. Mit der Übergangsregelung habe der Gesetzgeber bewusst eine Regelung getroffen, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. Die Annahme, dass Therapieallergene nur bei bestehender Zulassung erstattungsfähig seien, würde die bestehende Übergangsregelung ad absurdum führen.

Dieser Auffassung folgte die Prüfungsstelle Ärzte Bayern und lehnte den Antrag der Krankenkasse Viactiv als unbegründet ab.

Verordnungs-, verkehrs- und erstattungsfähig

"Die Verordnung von Pollinex Quattro ist zulasten der gesetzlichen Krankenkasse zulässig", so steht es im Prüfbescheid der bayerischen Prüfungsstellen. Weiter heißt es in der Begründung des Bescheids wörtlich: "Es ist zusammenfassend festzustellen, dass auch die verordneten Präparate nach der TAV noch verkehrs- und verordnungsfähig sind. Nach Aussage des Paul-Ehrlich-Instituts wird sich die Übergangsphase für das Beibringen der für die Zulassung notwendigen Unterlagen noch bis ins Jahr 2026 ausweiten (siehe https://doi.org/10.1016/j.zefq.2020.11.010). Bis zu diesem Zeitpunkt sind daher aus Sicht der Prüfungsstelle Produkte zur Hyposensibilisierung, die zur Zulassung angemeldet oder zugelassen sind, verkehrs- und damit auch verordnungs- und erstattungsfähig." Ergänzend fügen die Prüfer noch hinzu, dass zur Erreichung einer bedarfsgerechten, qualifizierten und wirtschaftlichen Arzneimittelversorgung grundsätzlich "bei Neueinstellungen zugelassene Therapieallergene, sofern zugelassene Therapieallergene in gleicher Darreichungsform zur Verfügung stehen, eingesetzt werden (vgl. § 2 Abs. 3 Arzneimittelvereinbarung für Bayern)".