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Der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) hat im November 2019 neue Beiräte ernannt, die den AeDA-Vorstand in medizinischen und berufspolitischen Fragen beraten. Im Allergo Journal stellen wir Ihnen die neuen Beiräte vor. In dieser Ausgabe erläutert Dr. Stephanie Dramburg, Berlin, ihre Beweggründe und Aufgaben im AeDA-Beirat.
? Frau Dr. Dramburg, Sie sind neues Beiratsmitglied im AeDA und sollen den Vorstand hinsichtlich pädiatrischer Allergologie und Pneumologie, aber auch zur Bedeutung der digitalen Medizin in der Allergologie beraten. Wie passen diese unterschiedlichen Aspekte zusammen?
Dramburg: Ein Vorteil der digitalen Medizin - im Folgenden eHealth genannt - ist, dass es sich nicht um ein Fach mit festgelegtem Curriculum handelt, sondern vielmehr um ein junges und flexibles Gebiet, das großes Potenzial für die Forschung und den klinischen Alltag in quasi allen Fachrichtungen birgt. Dennoch ist, wie immer in der Medizin, Vorsicht geboten und es bedarf klarer Richtlinien beziehungsweise Qualitätsstandards. In Allergologie und Pneumologie gibt es bereits zahlreiche Konzepte wie zum Beispiel Smarthaler, digitale Symptomtagebücher, integrierte digitale Spirometer, telemedizinische Konsultationsmöglichkeiten, Polleninformationen aufs Smartphone, individualisierte Symptomvorhersagen für Heuschnupfenpatienten und vieles mehr. Wie man also sieht, passt sich eHealth wunderbar an.
? Was sind derzeit die spannendsten Forschungsgebiete in der pädiatrischen Allergologie und Pneumologie?
Dramburg: Dank der rasanten Entwicklung neuer Technologien und Methoden nimmt die Zahl der spannenden Forschungsansätze in der pädiatrischen Allergologie und Pneumologie rasch zu. Allein die vielen "-omics" - Genomics, Transcriptomics, Proteomics, Metabolomics und so weiter - eröffnen über extrem hohen Datendurchsatz die Möglichkeit eines Wechsels von der Hypothesentestung hin zur Hypothesengenerierung. Neben diesen und anderen sehr interessanten Ansätzen der Grundlagenforschung, deren Aufzählung leider wirklich das Format dieses Interviews sprengen würde, tut sich aber auch einiges in der Umsetzung von Forschungsergebnissen für den klinischen Alltag. In diesem Feld sind digitale Lösungen ganz vorne mit dabei. Beispielsweise ermöglichen Apps zum Monitoring von Symptomen und Allergenexposition die Sammlung von Patientendaten über geografische Grenzen und soziale Unterschiede hinweg in einem bisher unbekannten Ausmaß. Diese Aufzeichnung von Real-Life-Daten ermöglicht es uns, den Einfluss verschiedenster Variablen im wahren Leben in Echtzeit zu beobachten. Große Datenmengen können mittels entsprechender Algorithmen oder künstlicher Intelligenz eingesetzt werden, um neue Hypothesen zu generieren und bisher unbekannte Zusammenhänge sichtbar zu machen. Anwendungsbeobachtungen und epidemiologische Studien werden deutlich erleichtert und große Datensätze liefern eine gute Grundlage für Argumentationen im politischen Raum.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit des Austauschs über Patienten mit seltenen Erkrankungen sowie deren Vernetzung untereinander. Dank digitaler Lösungen ist die Datensammlung für verstreute Patientengruppen um ein Vielfaches einfacher geworden.
Zuletzt möchte ich noch auf das Potenzial der digitalen Medizin bei der Unterstützung von Ärzten eingehen. Hier darf das Ziel nie sein, den Arzt komplett zu ersetzen! Doch können Algorithmen und Technologien beispielsweise bei der Zusammenführung und Interpretation komplexer Diagnostikergebnisse behilflich sein oder den Austausch über Patientenfälle deutlich vereinfachen. Meiner Meinung nach birgt eHealth ein großes Potenzial zur Unterstützung von Ärzten und Patienten. Doch die richtigen Technologien müssen gut durchdacht und erprobt sein: ein spannendes, neues Forschungsfeld.
? Wie sehen Ihre eigenen wissenschaftlichen Schwerpunkte aus?
Dramburg: Seit einigen Jahren bereits widme ich mich in einem wunderbaren Team - der Arbeitsgruppe von Herrn Dr. Matricardi - der Molekularallergologie im Bereich der allergischen Atemwegserkrankungen sowie der Entwicklung digitaler Lösungen zur besseren Versorgung allergischer Patienten. Unter anderem war es mir eine große Ehre, die internationale Multicenter-Studie "@IT.2020" zu koordinieren, in der wir den Nutzen von komponentenbasierter Diagnostik und Mobile Health - kurz mHealth - in der Diagnostik der saisonalen allergischen Rhinitis im mediterranen Raum evaluiert haben. Dies ist insbesondere in dieser geografischen Region interessant, da Polysensibilisierungen hier sehr häufig auftreten und Kreuzreaktionen sowie Co-Sensibilisierung die Auswahl der richtigen Immuntherapie deutlich erschweren. Wir konnten in neun südeuropäischen Studienzentren - Porto, Valencia, Marseille, Rom, Messina, Tirana, Athen, Istanbul und Izmir - insgesamt 815 pädiatrische und erwachsene Patienten rekrutieren sowie Workshops mit mehr als 150 Ärzten durchführen. Das Ziel der Studie ist die Testung der einzelnen Komponenten im Hinblick auf deren Potenzial innerhalb eines "clinical decision support systems", welches den Nutzer dabei unterstützen soll, eine genuine Primärsensibilisierung von Kreuzreaktionen zu unterscheiden und die klinische Relevanz diagnostischer Testergebnisse zu bewerten. Aktuell werten wir die Ergebnisse der Studie aus und starten parallel neue Projekte, die sich der klinischen Anwendung digitaler Technologien in der pädiatrischen Pneumologie und Allergologie widmen.
? Wo könnte der AeDA von den aktuellen Entwicklungen in den E-Health-Technologien lernen?
Dramburg: Zu Beginn der eHealth-Ära waren viele Ärzte und Institutionen den neuen Entwicklungen gegenüber zunächst skeptisch eingestellt. Dies ist in vielen Fällen auch richtig. Wie wir im Rahmen einer Task Force der European Academy of Allergy and Clinical Immunology zeigen konnten, ist das digitale Angebot für Patienten insbesondere im mobilen Smartphone-Bereich unglaublich groß. Ein Großteil der über den Google Playstore oder Apple iTunes angebotenen Apps basiert weder auf Leitlinien noch auf wissenschaftlicher oder klinischer Evidenz. Häufig ist für den Nutzer nicht klar, wie zuverlässig das Produkt in fachlicher Hinsicht ist und was mit den eingegebenen Daten passiert. Hier mangelte es lange Zeit deutlich an Regulationsmechanismen. Nun ist zwar immerhin die Datenschutzgrundverordnung in Kraft getreten, doch es gibt in Deutschland nach wie vor keine verbindlichen Kriterien zur Qualitätsevaluation von Gesundheits-Apps. Diese festzulegen ist eine politische Mammutaufgabe und wahrscheinlich nur schwer mittelfristig zu erreichen. Dennoch gibt es im klinischen Alltag immer eine Instanz, auf die Patienten vertrauen können: den behandelnden Arzt.
Um sich ein Bild von der Qualität einer App zumachen, bedarf es nicht unbedingt offizieller Kriterienkataloge und eines Siegels: Man kann sie auch einfach ausprobieren und sich darüber austauschen. Genau hierfür bietet der AeDA eine exzellente Plattform. Erfahrene Kollegen und innovationsbegeisterte Newcomer können zusammenkommen, um gemeinsam neue Technologien für den klinischen Alltag oder auch die Forschung zu erproben. Das wäre mein Wunsch!
? Was sind die wichtigsten drei Ziele, die Sie selbst im AeDA erreichen möchten?
Dramburg: Ich möchte die Neugier der AeDA-Mitglieder auf neue digitale Technologien und deren Potenziale stärken.
Durch die Vermittlung und den Austausch von Wissen und Erfahrungen möchte ich alle interessierten Kollegen dabei unterstützen, Vertrauen, aber auch ein kritisches Auge für eHealth in der Allergologie zu entwickeln.
? Eine besondere Stärke professioneller Netzwerke liegt im reziproken Austausch von Erfahrungen. Digitale Technologien sind ein ideales Werkzeug, um diesen Austausch schnell und unkompliziert zu ermöglichen. Ich möchte die Nutzung dieser Werkzeuge im AeDA voranbringen, sodass die Mitglieder, aber auch deren Patienten hiervon profitieren können. Wenn Sie sich etwas für die Zukunft des AeDA wünschen dürften, was wäre dies?
Dramburg: Für den AeDa wünsche ich mir, dass es weiterhin so gut gelingt, das gute Alte mit dem spannenden Neuen zu kombinieren. So hoffe ich, dass die Kombination aus jahrzehntelanger klinischer Erfahrung und Offenheit für Innovationen dem Verband nicht nur ein fruchtbares internes Netzwerk, sondern auch eine starke Stimme nach außen verschaffen.
! Vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview führte Prof. Dr. Ludger Klimek.
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Klimek, L. eHealth - ein spannendes Forschungsfeld. Allergo J 29, 56–57 (2020). https://doi.org/10.1007/s15007-020-0743-2
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DOI: https://doi.org/10.1007/s15007-020-0743-2