_ Die Verwendung topischer Hämostasemittel ist bei chirurgischen Eingriffen weit verbreitet. Sie quellen bei Kontakt mit Blut leicht auf und stillen den Blutfluss. Die meisten Hämostasematrizen bestehen dabei aus fließfähiger Gelatine, die — hergestellt aus Bindegewebe, Hufen, Hörnern und Knochen von meist Schweinen oder Rindern — potenziell allergen sein können. Nun wurde vom ersten Fall eines intraoperativen allergischen Schocks nach Anwendung eines topischen Hämostatikums in Norwegen berichtet [Lied GA et al. J Asthma Allergy 2019:12:163–7]:

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Der Patient, ein 71-Jähriger mit bestehender chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wurde wegen eines Vorhofseptumdefekts operiert. Anästhesie und Operation (OP) verliefen vorerst ohne Komplikationen. In der letzten Phase der OP wurde ein Hämostatikum auf Schweinegelatinebasis auf die Nähte des rechten Vorhofs aufgetragen. Innerhalb weniger Minuten trat bei ihm Hypotonie, Tachykardie und ein hoher Atemwegsdruck auf. Nach etwa einer Stunde stabilisierten sich seine Vitalfunktionen und die Operation konnte erfolgreich abgeschlossen werden.

Bei einer detaillierten Anamnese nach der OP gab der Patient an, im Alter zwischen neun und 19 Jahren eine Fleischallergie gegehabt zu haben: das α-Gal(Galactose- α-1,3-Galactose)-Syndrom. Mit acht Jahren sei er von einer Zecke gestochen worden.

α-Gal ist ein Kohlenhydrat, das in Zeckenspeichel enthalten ist und bei einem Stich in die menschliche Blutbahn gelangen kann. Infolge dessen bildet das Immunsystem Antikörper gegen α-Gal, das ebenfalls in Geweben der meisten Säugetiere (rotes Fleisch) vorkommt. Neben einem positiven Haut-Pricktest mit Gelatine wurde im Serum des 71-Jährigen eine hohe α-Gal-spezifische IgE-Antikörperkonzentration festgestellt.

Demnach ist eine durch einen Zeckenstich verursachte Fleischallergie ein potenzieller Risikofaktor für intraoperative Anaphylaxien, wenn Hämostasemittel auf Gelatinebasis verwendet werden. Durch eine ausführliche Anamnese vor der OP sollte dies unbedingt abgeklärt werden. Ebenfalls als Kontraindikation für gelatinehaltige Hämostatika gelten frühere Reaktionen auf Gummibonbons sowie auf Impfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln, die häufig ebenfalls Gelatine enthalten.