Gerne gebe ich eine Stellungnahme zu diesem wichtigen Leserbrief von Herrn Dr. Kühn ab. Zunächst möchte ich dazu etwas ausholen und einen Blick auf die Anfänge der Hyposensibilisierung von Bäckern mit Mehlstaub-allergie werfen: Zu DDR-Zeiten war ich Bezirksgutachterin für berufsbedingte Erkrankungen wie zum Beispiel die Holzstauballergie bei Tischlern, die Blütenstauballergie bei Floristen oder eben die Mehlstauballergie bei Bäckern.

Die Idee, betroffene Bäcker zu hyposensibilisieren, stammt von Prof. Dr. Brunello Wüthrich aus der Schweiz (Zürich). Kurz nach der Wende habe ich eine Arbeit von Wüthrich studiert, in deren Rahmen er sechs Bäcker mit Mehlstauballergie hyposensibilisiert hatte — zwei mit und vier ohne Erfolg. Daraufhin habe ich das Unternehmen ALK-Scherax angesprochen und gefragt, ob sie mir Mehlextrakte für die Hyposensibilisierung herstellen können. Die Firma reagierte positiv und produzierte Weizen- und Roggenmehlextrakte — damals noch getrennt, später über ALK-Abelló dann als Weizen-, Roggen-, Hafer- und Gerstemischung. Im Jahr 1991 konnten wir mit der Hyposensibilisierung von Bäckern beginnen. Dabei haben wir immer eng mit der Berufsgenossenschaft der Bäcker zusammengearbeitet und die Mehlstauballergien mit Rücksprache der betroffenen Bäcker als Berufskrankheit gemeldet.

Das erste Gebot bei einer Mehlstauballergie ist selbstverständlich immer Karenz, wie bei allen anderen allergologischen Erkrankungen auch. Viele betroffene Bäcker haben daher umgeschult. Andere haben ihren Arbeitsplatz saniert — zum Beispiel indem bessere Lüftungen und effektive Abzugsanlagen eingebaut wurden. Darüber hinaus wurde den Bäckern dringend angeraten, in der Backstube einen Mundschutz beim Hantieren mit Mehl zu tragen.

In unsere Studie zur Hyposensibilisierung von Bäckern mit Mehlstauballergie haben wir nur betroffene Bäcker aus Familienbetrieben, die bereits in der dritten, vierten oder sogar in der fünften Generation Bestand hatten, eingeschlossen. Diese Bäcker sollten und wollten die Tradition unbedingt fortführen und den Familienbetrieb übernehmen. Die Allergenminimierung hat absolute Priorität. Die Aufklärung der Bäcker erfolgte vor diesem Hintergrund sehr gründlich und mehrfach, auch dann wenn nur die oberen Atemwege betroffen waren. Über die Entstehung von Asthma bronchiale, dem sogenannten Etagenzuwachs und deren Konsequenzen wurde ebenfalls aufgeklärt. Als Maßnahmen für den Arbeitsschutz wurde zu Mundtuch, langen Baumwollhemden und -hosen sowie zu einem Abzug in der Backstube geraten. Als einzige kausale Therapie haben wir in diesen Fällen die spezifische Immuntherapie (SIT) über drei bis fünf Jahre empfohlen.

Jeder einzelne Fall der von uns behandelten Bäcker mit Mehlstauballergie wurde mit den zuständigen Pneumologen diskutiert und von diesen wurde auch die medikamentöse Stufentherapie nach den Asthmaleitlinien verordnet. Ab dem Jahr 2010 wurden die Fälle zudem im Allergiezentrum des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus besprochen und von uns und den pulmologischen Fachkollegen die Lungenfunktionsprüfung durchgeführt.

Leider gibt es seit zwei Jahren keine Möglichkeit mehr, Bäcker mit Mehlstauballergie mit einer SIT zu behandeln, da es keine Firmen mehr in Deutschland und in Europa gibt, die Mehlextrakte dafür herstellen.