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„Eine fehlende Überprüfung bei Verdacht auf Penizillinallergie bedeutet die grundlose Verwendung zumeist teurerer und nebenwirkungsreicherer Antibiotika.“

Prof. Dr. Knut Brockow, Hautklinik Campus Biederstein, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München

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Prof. Dr. Hans F. Merk, Hautklinik der Medizinischen Fakultät, Universitätsklinikum der RWTH Aachen

Arzneimittelüberempfindlichkeitsreaktionen (AM-ÜE) sind unvorhergesehene, durch Arzneimittel hervorgerufene Reaktionen, die nicht durch die spezifische, typische Toxizität der Substanz des Arzneimittels erklärbar sind.

Aufgrund einer Vielzahl von Arzneimitteln, einer hohen Variabilität an klinischen Manifestationen und Mechanismen, unterschiedlichen Zeitintervallen bis zum Auftreten der Reaktionen, als auch aufgrund einer beschränkten Sensitivität von Hauttests und Labortests wurde die allergologische Diagnostik von AM-ÜE in der Vergangenheit vernachlässigt und nur noch schwerpunktmäßig von wenigen Kliniken betrieben. Es ist jedoch immens wichtig, Reaktionen in diesem Gebiet der Allergologie diagnostisch abklären zu können und aufzuzeigen, wann und wie eine solche Testung durchführbar ist. Das gilt ganz besonders für die häufigste Arzneimittelsensibilisierung, der Penizillinallergie. Durch eine Testung lässt sich in bis zu 90 % der Fälle zeigen, dass doch eine Penizillinverträglichkeit besteht. Mithin bedeutet eine fehlende Überprüfung die grundlose Verwendung zumeist teurerer und nebenwirkungsreicherer Antibiotika. Leider sind notwendige Testlösungen zurzeit in Deutschland nicht zugelassen und die finanziellen Aufwendungen einer Hauttestung für den Arzt stehen in keinem Verhältnis zur Erstattung durch KV und Krankenkasse.

Zudem wurden in den letzten Jahren auch große Fortschritte in unserem Verständnis über mögliche Kreuzreaktionen zwischen Betalaktamantibiotika gemacht. Die Reaktivität wird vor allem durch die Seitenketten und nicht den Betalaktamring vermittelt. Trautmann und Wurpts präsentieren in ihrem Artikel in dieser Ausgabe neue Möglichkeiten zur Testung und späteren Verwendung anderer nicht kreuzreaktiver Betalaktamantibiotika.

Weitere häufige Auslöser von AM-ÜE sind nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) und präoperativ gegebene Arzneimittel. In der Arbeit von Wöhrl werden die Symptome von AM-ÜE auf NSAR klassifiziert und die sinnvolle allergologische Diagnostik in Abhängigkeit von den vorliegenden Symptomen vorgestellt.

Perioperative Anaphylaxien sind häufige und gefürchtete AM-ÜE. Pfützner und Brockow zeigen auf, dass eine allergologische Diagnostik unter Berücksichtigung des Narkoseprotokolls unbedingt sinnvoll ist und zu einer weitgehenden Vermeidung von Reaktionen bei zukünftigen Operationen führt.

Eine Heparinallergie ist nicht lebensbedrohlich, die Symptome aber für den Patienten inakzeptabel und eine Antikoagulation zumeist dennoch erforderlich. Trautmann erklärt in seinem Artikel zu Heparinallergien, wie eine gut verwendbare Alternative zu dem nicht verträglichen Heparin gefunden werden kann.

Das European Network of Drug Allergy hat in den letzten Jahren bereits mehrere Leitlinien verfasst, die zur Diagnostik von AM-ÜE verwendet werden. Unser Verständnis über Manifestationen und Validität von Testverfahren hat sich auf diesem Gebiet deutlich verbessert. Auch im deutschsprachigen Raum existiert inzwischen eine Leitlinie zur Diagnostik von AM-ÜE. Es fehlen bisher jedoch kurze praktische Empfehlungen zur Abklärung von AM-ÜE auf wichtige Arzneimittel und deren Management. Wir hoffen mit diesem Themenheft diese Lücke ein wenig zu schließen und Ihr Interesse für die praktische Abklärung von Patienten mit AM-ÜE zu wecken.

Wir wünschen Ihnen eine informative und angenehme Lektüre.

Mit besten Grüßen

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