In der Studie wurden in den Jahren 2014 und 2015 die Pollenkonzentrationen an zwei verschiedenen Standorten in Berlin im Verlauf der Pollensaison von Gräsern (Poaceae), Beifuß (Artemisia) und Birken (Betula) gemessen. Als Pollensaison wurde der Jahreszeitraum bezeichnet, der 90 % des Pollenindexes, ausgedrückt als Summe der durchschnittlichen täglichen Pollenkonzentrationen, abdeckt. Die sieben Kilometer auseinanderliegenden Standorte der Pollenfallen befanden sich in fünf Meter Höhe an der stark befahrenen Stadtautobahn A100 sowie in 20 Meter Höhe auf dem Dach des Allergie-Centrums der Charité. Die Vegetation an der Autobahn war dichter als am innerstädtischen Standort.

Die absoluten Pollenkonzentrationen unterschieden sich deutlich zwischen den beiden Standorten. 2014 wurden an der Autobahn pro Kubikmeter Luft und Tag fast 31.500 Birkenpollen (innerstädtisch: 62 %), circa 4.300 Gräserpollen (innerstädtisch: 74 %) und mehr als 1.700 Beifußpollen (innerstädtisch: 24 %) gemessen. Im Jahr darauf hatten sich die Konzentrationen geändert: Die der Birken- und Beifußpollen waren an der Autobahn niedriger, die der Gräserpollen höher als im Vorjahr. In der Stadt waren sowohl die Gräser- als auch die Beifußpollenkonzentrationen gegenüber dem Vorjahr erhöht.

Die Wissenschaftler des Allergie-Centrum-Charité haben darüber hinaus die Pollenbelastung im Verlauf des Tages bestimmt. Demnach wurden die höchsten Konzentrationen an Beifußpollen an beiden Standorten vor allem morgens/spätmorgens gemessen. Bei den Gräserpollen traten die Spitzenwerte an der Autobahn eher gegen Abend auf, innerstädtisch dagegen am Abend und in der Nacht. Schließlich kam es zu Spitzenwerten für die Birkenpollen an der Autobahn nachmittags und nachts, in der Stadt dagegen zwischen 10 und 12 Uhr (2014) sowie zwischen 22 und 24 Uhr (2015). Die vorherrschende Windrichtung am Autobahnstandort zum Zeitpunkt der größten Birkenpollenkonzentration während des Tages war west-östlich, innerstädtisch dagegen kam der Wind zu diesen Zeiten vor allem aus West/Nordwest. Die höchsten Gräserpollenkonzentrationen traten auf, wenn der Wind an beiden Standorten aus West/Nordwest kam.

Aufgrund der Studienergebnisse empfehlen die Wissenschaftler Patienten mit allergischen Reaktionen gegen Beifußpollen, sich vor allem in den frühen und späten Morgenstunden möglichst nicht draußen aufzuhalten und in dieser Zeit nicht die Wohnung zu lüften. Gräserpollenallergiker dagegen hätten möglicherweise morgens weniger Symptome, wenn die Pollenkonzentrationen meist niedrig seien. Dies könne sich aber je nach Gräserart ändern, auch während des Tages und während der Pollensaison. Schließlich fliegen nach Angaben der Forscher Birkenpollen während des ganzen Tages. Spitzenwerte seien zu jeder Zeit des Tages gemessen worden, möglicherweise, weil sie über weite Strecken transportiert werden. Zwar könnten Allergikern keine exakten Empfehlungen gegeben werden, aber zumindest sollten sie in der Pollensaison für Birken zum Beispiel möglichst vor 8 Uhr die Wohnung lüften, nicht später.

Kommentar

Eine besonders lesenswerte Arbeit für alle, die sich für die Feinheiten des Pollenfluges interessieren. Besonders vor dem Hintergrund, dass Pollenmessstationen in sehr großen Abständen über Deutschland verteilt sind und in der Regel nur Tagesmittelwerte angeben, zeigt diese Arbeit erstmals überzeugend, wie sehr sich das Mikroklima und der Tagesverlauf auf den Pollenflug auswirken kann. Beobachtungen mit direkter Relevanz für die kompetente Beratung unserer Patienten.

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Prof. Dr. Thilo Jakob