Als Trigger einer chronisch spontanen Urtikaria werden unterschiedliche Faktoren angesehen, etwa Infekte, Nahrungsmittelintoleranzen oder auch Stress. Eine IgE-vermittelte Nahrungsmittelallergie zählt üblicherweise nicht dazu. Nach Einschätzung von Allergologen unter Leitung von Prof. Dr. Bernhard Przybilla (LMU München) könnte aber speziell die Weizenallergie ein unterschätzter Auslöser sein.

Die Ärzte haben mithilfe der Datenbanken der LMU München und des Klinikums Darmstadt neun Patienten identifiziert, die sich zwischen 2008 und 2012 wegen einer chronischen Urtikaria vorgestellt hatten und bei denen gleichzeitig der Verdacht auf eine Weizenallergie vorgelegen hatte. Die Urtikaria bestand seit mindestens sechs und maximal 72 Monaten. Bei den meisten Patienten trat sie intermittierend auf, mit symptomfreien Intervallen von Tagen bis Wochen; drei Patienten waren täglich betroffen. Vier Patienten litten zusätzlich an Angioödemen, bei ebenfalls vier stand der Beginn der Urtikaria in Zusammenhang mit körperlicher Belastung, bei zwei Patienten war es zu Beginn einer Episode zum Bewusstseinsverlust gekommen. Keiner der Patienten hatte den Verdacht, die Urtikaria könne auf Lebensmittel oder Weizen zurückzuführen sein.

Die ausführliche Diagnostik förderte bei sieben Patienten IgE-Antikörper gegen Omega-5-Gliadin zutage, drei Patienten hatten IgE gegen Weizenmehl. Im Pricktest auf Weizenmehl reagierten zwei Patienten positiv. Bei vier Patienten konnte durch eine orale Provokation mit Weizenmehl, sofern sie mit körperlicher Belastung kombiniert wurde, eine Urtikaria ausgelöst werden; darunter waren auch die beiden Patienten mit negativer Serologie.

Die abschließende Diagnose der Studienautoren für alle neun Patienten lautet daher auf eine „weizenabhängige belastungsinduzierte Anaphylaxie“ (WDEIA). Eine WDEIA kann bis zu sechs Stunden nach Nahrungsaufnahme auftreten und die Belastungsabhängigkeit ist nicht immer offensichtlich. Bei den beschriebenen Patienten wurde die Diagnosestellung zusätzlich durch die überwiegend leichte und auf die Haut beschränkte Symptomatik erschwert.

Eine Bestätigung für die Weizenabhängigkeit lieferte auch der weitere Krankheitsverlauf. Allen Patienten wurde zum Verzicht auf Lebensmittel mit Weizen oder Dinkel geraten. Unter der Eliminationsdiät kam es bei allen zu dauerhafter Symptomfreiheit.

Kommentar

Nicht alles was auf den ersten Blick aussieht wie eine chronische spontane Urtikaria ist auch eine. Die Arbeit von Wagner et al. verdeutlicht dies am Beispiel von Patienten, die lange unter der Diagnose einer chronischen intermitierenden Urtikaria geführt wurden und bei der die ausführliche Anamnese und Diagnostik letztlich die Diagnose einer weizenabhängigen anstrengungsinduzierten Anaphylaxie ergaben. Eine sehr lesenswerte Arbeit, die uns vergegenwärtigt, dass es sich immer lohnt, die eigene Diagnose nochmals zu hinterfragen und mittels neuster diagnostischer Möglichkeiten zu überprüfen.

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Prof. Dr. Thilo Jakob