Eine im Auftrag des English National Health Service, dem staatlichen Gesundheitssystem in Großbritannien, durchgeführte Analyse Liverpooler Wissenschaftler untersuchte als zentralen Punkt, mit welchen zusätzlichen Therapiekosten durch die spezifische Immuntherapie mit Hymenopterengift (HG-SIT) zu rechnen ist, um unter Berücksichtigung der Lebensqualität das Leben eines gegen Insektengift allergischen Patienten um ein Jahr zu verlängern. Die Autoren kamen zu der Schlussfolgerung dass — im Vergleich zur alleinigen Beratung und Ausstattung mit Notfall-Medikamenten — dafür fast 20 Millionen Britische Pfund aufzubringen wären.

Kommentar: Gesundheitsökonomische Fragestellungen untersuchen die Kosten medizinischer Maßnahmen. Da natürlich nicht alle Behandelten ganz gesund und manche auch gar nicht mehr gesund werden, ist auch die durch die Behandlung erreichte Lebensqualität zu berücksichtigen. Das QALY („quality-adjusted life year“) ergibt sich als Multiplikation aus der zusätzlichen Lebenserwartung in Jahren und der mit einem Punktescore bewerteten Qualität der gewonnenen Lebensjahre. Wenn z. B. eine Intervention zu vollständiger Genesung führte (Punktescore 1) und der Patient noch zehn zusätzliche Lebensjahre gewonnen hat, würde dies einen QALY von 10 ergeben. Wenn der Patient dagegen nach der Intervention eine eingeschränkte Lebensqualität hat (z. B. Punktescore 0,5) und nur zwei zusätzliche Lebensjahre gewonnen hat, dann würde sich nur ein QALY von 1 errechnen. Zur Darstellung der Effizienz einer Therapie werden dann die Behandlungskosten, die durch eine zusätzliche Therapie entstehen („incremental cost effectiveness ratio“, ICER) auf ein QUALY bezogen. So lässt sich z. B. zeigen, dass nach Laienreanimation — im Vergleich zu einem rein abwartenden Verhalten — bis zu 500.000 US-$ pro QUALY aufgewendet werden müssen [Lee KH et al. Crit Care Med 1996; 24: 2046–52]. Im Vergleich zu den Summen, die die oben angeführte britische Analyse für die HG-SIT ergab, erscheint dies als geradezu günstig.

Wie kommt es nun, dass sich auf den QALY bezogen durch eine HG-SIT derart astronomische Summen ergeben? Kommt eine Erkrankung häufig vor, müssen viele Betroffene zum Teil lange behandelt werden und verursachen entsprechende Kosten. Wenn die Krankheit — in diesem Fall die Insektengiftallergie — aber gleichzeitig selten zum Tode führt (und daher die Behandlung nur wenige Leben rettet), wird es entsetzlich teuer sein, auch unabhängig von der Lebensqualität ein zusätzliches Lebensjahr zu gewinnen. Ein solches Ergebnis war eigentlich bereits vor Studienbeginn zu erwarten, und man muss sich fragen, was die Initiatoren der Analyse veranlasst hat, eine derartige Untersuchung mit einem für die HG-SIT offensichtlich katastrophalen Ergebnis in Auftrag zu geben. Es lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass hier in einer Zeit leerer Staatskassen — das britische Gesundheitssystem wird über Steuern finanziert — Argumente geschaffen werden sollen, um einer Rationierung bzw. Priorisierung der HG-SIT den Weg zu bereiten. Die Effizienz der Therapie ist zwar unbestritten [Boyle RJ et al. Cochrane Database Syst Rev 2012; 17. Okt; 10], das spielt bei der Wertung der Ergebnisse aber keine Rolle.

figure 1

Nachgerechnet — die enormen Kosten, die eine britische Studie der HG-SIT bescheinigt, sind möglicherweise das Ergebnis eines falschen Studienansatzes.

© UbjsP / shutterstock.com

Der Ansatz, therapeutische Effizienz (ICER pro QUALY) auf das Überleben zu beziehen, muss für viele Therapiearten als nicht sachgerecht bezeichnet werden. Zahllose, auch sehr kostspielige therapeutische Maßnahmen dienen ja primär nicht dem Ziel, Leben zu verlängern, sondern Lebensqualität zu schaffen. Ein solcher an der Lebensqualität orientierter Ansatz wurde von Hockenhull et al. auch verwendet und kam zu erheblich geringeren QALY-Kosten. Angesichts der dürftigen Datenlage zur Lebensqualität bei Insektengiftallergie ist er dennoch kritisch zu werten.

Fazit: Das Instrument ICER per QALY bei einer nur sehr selten tödlich verlaufenden, aber vergleichsweise weit verbreiteten Erkrankung anzuwenden, ist nicht sachgemäß. Die Wertigkeit der HG-SIT kann nur unter dem Aspekt der Lebensqualität beurteilt werden, alle anderen Ansätze sind — da tendenziös — abzulehnen.