Ist es sinnvoll, wenn Hausärztinnen und Hausärzte Adipöse zu einem Stehtraining motivieren? In einer neuen Studie reduzierten so zumindest ältere Personen mit Übergewicht ihre tägliche Sitzdauer im Schnitt um 40 Minuten und erreichten dadurch eine Senkung des systolischen Blutdruck um ca. 7 mmHg.

Adipöse Menschen verbringen häufig viel Zeit im Sitzen und Liegen. Ihnen Beine zu machen, könnte sich gesundheitlich auszahlen. Allerdings haben sich schon viele Medizinerinnen und Mediziner vergeblich die Köpfe darüber zerbrochen, wie sich solche Menschen zu mehr Bewegung motivieren lassen.

Ein aktueller Versuch kommt von einem US-Versicherer aus Seattle: Einem Team um Dr. Dori Rosenberg vom Kaiser Permanente Washington Health Research Institute ist es gelungen, 283 Adipöse im Alter zwischen 60 und 89 Jahren für eine Studie mit einem Gesundheitstraining zur Reduktion der täglichen Sitzdauer zu bewegen. Tatsächlich gelang es durch die Intervention, die Sitzdauer um täglich eine halbe Stunde stärker zu senken als in einer Kontrollgruppe - mit messbaren Auswirkungen auf den Blutdruck.

HART-Studie: „Ressourcen für ein gesundes Altern“

Für die Untersuchung „Healthy Aging Resources to Thrive“ (HART) haben Rosenberg und Mitarbeitende geeignete Personen mit einem BMI zwischen 30 und 50 nach dem Zufallsprinzip aus Versichertenlisten ausgewählt. Berücksichtigt wurden nur solche, die mehr als sechs Stunden täglich im Sitzen verbrachten und weder Demenz, Krebs noch andere lebensbedrohliche Leiden aufwiesen.

Im Schnitt waren die Teilnehmenden 69 Jahre alt, zu zwei Dritteln Frauen und überwiegend im Ruhestand (56%). 52% hatten eine Hypertonie; der mittlere systolische Blutdruck erreichte anfangs 136 mmHg, der BMI einen Wert von 35.

Beschleunigungssensoren erfassten eine tägliche Sitzdauer von knapp elf Stunden.

Die Hälfte erhielt ein Stehtraining mit der Bezeichnung I-Stand, die übrigen bekamen allgemeine Gesundheitsinformationen (Kontrollgruppe).

In der I-Stand-Gruppe gab es zwei Treffen mit einem Gesundheitstrainer sowie acht telefonische Besprechungen im Laufe von sechs Monaten, zusätzlich bekamen die Teilnehmenden ein Stehpult, ein Fitnessarmband und ein Arbeitsbuch. Für alle Beteiligten dieser Gruppe wurde ein individueller Plan entworfen, der auf weniger Sitzen und mehr Stehen abzielte. Unter anderem erinnerten die Fitnessarmbänder die Beteiligten nach einiger Zeit daran, mal wieder aufzustehen. Auch sollten sie bestimmte Gewohnheiten ändern, etwa die Zeitung im Stehen lesen.

Effekte geringer als erwartet

Die Kontrollgruppe erhielt ebenfalls zehn Sitzungen mit einem Gesundheitstrainer, dabei ging es allerdings um Themen wie Stürze vermeiden, gesündere Ernährung oder besseren Schlaf. Zu Beginn sowie nach drei und sechs Monaten wurde das Bewegungsprofil per Akzelerometer bestimmt. In dieser Zeit trugen die Beteiligten das Gerät jeweils über eine Woche hinweg.

Primäre Endpunkte waren die Reduk- tion der Sitzdauer, erfasst per Akzelerometer, sowie die Blutdrucksenkung. Nach drei Monaten hatten die Adipösen in der Gruppe mit I-Stand ihre Sitzdauer täglich um 38,4 Minuten, nach sechs Monaten um 40,4 Minuten reduziert, in der Kontrollgruppe ergab sich lediglich ein Minus von 6,9 und 8,5 Minuten. Die Differenz von 31,4 Minuten nach drei sowie 31,9 Minuten nach sechs Monaten war statistisch signifikant. In ähnlichem Maße, wie die Sitzdauer sank, nahm die Stehdauer zu.

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Weniger Sitzen und Liegen zeigt positive Auswirkungen auf den Blutdruck.

Mit dem I-Stand-Programm hatte der Blutdruck systolisch im Mittel um 6,7 mmHg, in der Kontrollgruppe nur um 3,2 mmHg abgenommen. Auch diese Differenz von 3,5 mmHg war statistisch signifikant. Der diastolische Druck ging jedoch in beiden Gruppen nur minimal zurück - hier gab es keine belastbaren Differenzen. Dasselbe traf für Gewicht, BMI und Bauchumfang zu - diese Größen blieben in beiden Gruppen weitgehend konstant.

Letztlich hatten die Studienautoren einen größeren Effekt des Trainings mit bis zu zwei Stunden weniger Sitzen erwartet. Allerdings habe bereits die recht moderate Verringerung der Sitzdauer positive Auswirkungen auf den Blutdruck gehabt. Ein Problem könnte gewesen sein, dass die Studie zum Teil in der Coronapandemie stattfand, was die Mobilität durch viele Pandemiemaßnahmen zusätzlich eingeschränkt haben dürfte, berichten Rosenberg und ihr Team.

Quelle: Rosenberg DE et al. JAMA Netw Open 2024; https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.3234