Eine 56-jährige Patientin stellte sich wegen signifikanter Schmerzen bei geringfügiger Rötung im Bereich des Nagelbetts vor. Ich ging zunächst von einer beginnenden Paronychie aus und behandelte mit einer Wunddesinfektionslösung. Tage später jedoch zeigte die Krankheit ihr wahres Gesicht.

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© C. Raschka

Der initiale klinische Befund, den ich nicht fotografierte, war eher unauffällig und mit einer Paronychie durchaus vereinbar. Derartige Nagelwallinfektionen entstehen bekanntlich bei nicht beachteten kleineren Verletzungen, gelegentlich auch als Folge von Mani- oder Pediküre, meistens durch Staphylokokken.

Vier Tage später stellte sich die Patientin erneut vor, weil zusätzlich zu den Schmerzen auch noch ein Ausschlag im L5-Dermatom aufgetreten war, was aufgrund des charakteristischen, auf dem Foto dargestellten Aussehens zur richtigen Diagnose einer Gürtelrose führte.

In etwa 80% der Fälle geht der typischen Hautmanifestation des Zosters ein ca. 3-5 Tage dauerndes Prodromal- bzw. Frühstadium mit äußerst variablen Symptomen voraus. Häufig werden Allgemeinsymptome wie Fieber, Müdigkeit und Abgeschlagenheit beklagt - nicht so im vorliegenden Fall.

Zur Prodromalphase gehören auch neurologische Symptome, da sich bei einer Reaktivierung des latenten Varizella-Zoster-Virus das Nervengewebe entzündet. Dies löst ein Brennen, starke Schmerzen und/oder Parästhesien in dem Dermatom aus, welches durch den betroffenen Nervenstrang versorgt wird.

Aufgrund ihrer charakterlichen Bandbreite sind die Symptome nicht selten Ursache für Fehldiagnosen. In Abhängigkeit vom befallenen Dermatom kann der Zoster dann für einen Bandscheibenvorfall, Nierenkoliken, ein akutes Koronarsyndrom, eine Appendizitis, eine Cholezystolithiasis oder viele andere Leiden gehalten werden - selbst für eine Paronychie wie im vorliegenden Fall.

Unter einer Therapie mit dem Virostatikum Brivudin heilten der Ausschlag und die Schmerzen unserer Patientin folgenlos ab. Im Gegensatz zu Aciclovir, Valaciclovir und Famciclovir muss Brivudin nur einmal täglich verabreicht werden - allerdings maximal eine Woche, weil eine längere Therapie mit einem erhöhten Hepatitisrisiko verbunden ist.

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Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. Sportwiss. Christoph Raschka

Praxis für Allgemeinmedizin - Sportmedizin, Im Igelstück 31, D-36088 Hünfeld