Jeder dritte bisher asymptomatische Europäer im Alter von 55 Jahren wird im Laufe seines weiteren Lebens Vorhofflimmern (VHF) entwickeln, verbunden mit erhöhter Morbidität und Mortalität. Durch positive Studienergebnisse hat die Katheterablation gegenüber der medikamentösen antiarrhythmischen Therapie starken Aufwind erfahren. Allerdings wachsen die Bäume nicht in den Himmel: Liegt permanentes VHF vor, z. B. für länger als ein Jahr, sind die Ergebnisse der alleinigen Pulmonalvenenisolation enttäuschend. Auch liegen noch keine etablierten Konzepte der Katheterablation für die Rhythmisierung des substratbasierten VHF vor. Deswegen gilt: VHF rasch erkennen, charakterisieren und behandeln (Straube et al. ab S. 46).

Antikoagulation ist ein wichtiges Standbein von herkömmlich diagnostiziertem VHF. Noch viel höher wäre die Zahl der Betroffenen, wenn man kürzere, oligo-/asymptomatische Episoden von „subklinischem“ VHF dazu zählen würde. Diese sind durch Screening mittels Langzeit-EKG, Aufzeichnungen von Schrittmachern und implantierbaren Cardioverter-Defibrillatoren sowie der sich stark im Kommen befindenden Smartwatches erfassbar. Allerdings ist die Schlaganfallgefahr dieser „Patientinnen und Patienten“ deutlich geringer, sodass für sie offenbar nicht der Benefit erzielt werden kann, der für das klinisch etablierte VHF durch direkte orale Antikoagulanzien oder Phenprocoumon nachgewiesen wurde (Sinner et al. ab S. 50).

Unmittelbar einleuchtend ist die Therapie von Rhythmusstörungen, die die Pumpfunktion des Herzens beeinträchtigt haben und deren Regularisierung eine normale Herzleistung wiederherstellt. Auch hier ist das VHF ursächlich führend (Glück ab S. 54).

Bei der in der Tagespresse vorherrschenden Diskussion über die Reformbedürftigkeit unseres Gesundheitswesens: Ist nicht diese Vielfalt an Therapieoptionen für alle Versicherte unserer Solidargemeinschaft ein Qualitätssiegel erster Güte?

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Prof. em. Dr. med. Gerhard Steinbeck

Zentrum für Kardiologie, Starnberg