Nachdem früh gegebene topische Glukokortikoide am Anfang der COVID-19-Pandemie bei Risikopatienten gute Ergebnisse zeigten, ist ihre Wirksamkeit unter den aktuellen Umständen unklar. In der Studie AKTIV-6 zeigen sie keinen Vorteil mehr.

Vom 11. Juni 2021 bis zum 9. Februar 2022 wurden an 91 US-amerikanischen Zentren 1.407 Menschen ab 30 Jahren mit SARS-CoV-2-Infektion rekrutiert. Der Infektionsnachweis durfte höchstens zehn Tage zurückliegen, und es mussten seit sieben Tagen Symptome bestehen, die noch nicht zu einer Hospitalisierung geführt hatten. Randomisiert erhielten die Teilnehmenden über einen Inhalator entweder Fluticasonfuroat 1 × 200 µg/d oder Placebo.

Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Genesung, definiert als drei aufeinanderfolgende symptomfreie Tage. Sekundäre Endpunkte waren Hospitalisierungen und Todesfälle, die Zahl der Symptomtage und die Covid-Progression gemäß WHO-Skala.

Der Altersmedian lag bei 45 Jahren, 63,2% der Teilnehmenden waren weiblich. 4,7% litten an einer Herzerkrankung, 9,7% an Diabetes, 26,1% an einer arteriellen Hypertonie, 1,4% an einer COPD und 13% an Asthma. 64,8% waren mindestens zweimal gegen Covid immunisiert.

In der Fluticasongruppe betrug die durchschnittliche Anzahl der Tage mit Symptomen 11,2 und in der Placebogruppe 11,3. Bis zum Tag 28 waren in beiden Gruppen jeweils 0,5% der Patienten entweder hospitalisiert oder verstorben. Ein kombinierter sekundärer Endpunkt aus Tod, Hospitalisation und Vorstellung in einer Notfallambulanz wurde bei 3,7% in der Verum- und 2,1% in der Placebogruppe erreicht. 3,2% der Patienten unter Fluticason und 1,6% in der Placebogruppe hatten im Verlauf mindestens einen Kontakt zum Gesundheitssystem.

MMW-Kommentar

Bei sehr schweren Verläufen von viralen Atemwegsinfektionen hat sich die systemische Therapie mit Steroiden in der späten entzündlichen Phase als Standardtherapie etabliert. Topische Steroide, insbesondere Budesonid, haben auch in der Frühphase bei Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf gute Ergebnisse geliefert, etwa in der Studie PRINCIPLE [Yu LM et al. Lancet. 2021;398:843-55]. Dem scheint die vorliegende Studie diametral entgegenzustehen.

Jedoch unterschieden sich die Patientenpopulationen deutlich. In ACTIV-6 waren die Teilnehmenden jünger und hatten weniger Komorbiditäten. Die Immunitätslage war deutlich günstiger, v. a. durch Impfungen. Relevant erscheint auch, dass in ACTIV-6 zwischen Symptombeginn und Therapie im Mittel sechs Tage lagen, was vergleichsweise lang ist.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann keine generelle Therapieempfehlung für eine Therapie mit topischen Steroiden bei akuter Atemwegsinfektion mit SARS-CoV-2 ausgesprochen werden.

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Alexander Martin Stump

Pneumologie, Kliniken Essen-Mitte

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Prof. Dr. med. Georg Nilius

Pneumologie, Kliniken Essen-Mitte

Quelle: Boulware DR, Lindsell CJ, Stewart TG et al. Inhaled Fluticasone Furoate for Outpatient Treatment of Covid-19. N Engl J Med. 2023;389:1085-95