Nicht jeder kennt mehr die Herkunft des Wortes „Patient“, wie kürzlich ein 30-jähriger Mann unter Beweis stellte, der an einem Freitag mit „schrecklichen“ Halsschmerzen in meine Praxis kam. Er könne „nicht mehr schlucken“, klagte er. Indes tastete man allenfalls eine beginnende Lymphknotenschwellung rechts; die Tonsillen waren gerötet, aber nicht belegt.

Ich klärte den jungen Mann auf, dass man den Schmerz symptomatisch angehe - und das selbst eine voll ausgeprägte Tonsillitis heutzutage nicht unbedingt antibiotisch behandelt werde. Wegen seiner ausgeprägten Ängste gab ich ihm aber eine Standby-Antibiose für das Wochenende mit, falls sich sein Zustand verschlechtern sollte.

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Er leidet wie ein Hund - und niemand kann (oder will?!) ihm helfen!

Es kam anders. Wegen „unerträglicher“ Schmerzen suchte er die Notfallambulanz eines großen städtischen Krankenhauses auf. Dort gab es zwar keine HNO-Ambulanz, aber er bekam: ein EKG, ein komplettes internistisches Labor einschließlich Blutgasanalyse, Lactat, CRP und Differenzialblutbild sowie eine Sonografie des Abdomens. Dann wurde die Diagnose einer akuten Tonsillitis gestellt und das von mir verordnete Antibiotikum initiiert. Am Montag sah er sich noch gezwungen, einen HNO-Arzt aufzusuchen, außerdem wurde ich noch zweimal in der Praxis zur Beratung kontaktiert.

Das war die teuerste Tonsillitis, die ich je beobachtet habe. Wenn in einer Notfallambulanz rationelle, sinnvolle und zielgerichtete Diagnostik und Therapie nicht möglich sind, wird sich die Überlastungssituation der Kliniken nicht ändern! Auch weil während eines stationären Aufenthalts zunehmend leere Standards abgearbeitet werden, statt Probleme zu lösen (was oft auch ambulant besser gelänge), beobachtet man Drehtürmechanismen.