Auf einem „Krisengipfel“ mit ärztlichen Vertretern hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Maßnahmenpaket vorgestellt. Große Gewinner sind die Hausärztinnen und Hausärzte: Sie werden entbudgetiert und bekommen zwei neue Jahrespauschalen. Regresse sollen deutlich seltener werden.

Noch im Januar soll ein Versorgungsgesetz vorgelegt werden, in dem ein zentrales Versprechen des Koalitionsvertrags von 2021 umgesetzt wird: Die Entbudgetierung der Hausarztmedizin. Das bedeutet: Jede erbrachte Leistung soll voll ausbezahlt werden, ohne Abstaffelung, Höchstgrenzen oder Regelleistungsvolumina. Dies würde einen gewaltigen „Schluck aus Pulle“ für die Hausärztinnen und Hausärzte bedeuten: Lauterbach erklärte, dass er mit einem Honorarzuwachs im dreistelligen Millionenbereich für die Arztgruppe rechne.

Zugleich soll ein Ausstieg aus der Quartalslogik eingeleitet werden. Die aktuellen Honorarregeln fordern bei jedem chronisch Erkrankten in mindestens zwei Quartalen im Jahr einen persönlichen und in einem weiteren Quartal einen anderen Arzt-Patienten-Kontakt. Nun soll eine Jahrespauschale eingeführt werden, die beim ersten Kontakt abgerechnet wird. Medizinisch eigentlich nicht nötige Quartalsbesuche sollen so reduziert werden.

Ferner soll es eine Vorhaltepauschale für „echte Versorgerpraxen“ geben, für die man Kriterien erfüllen muss - etwa Hausbesuche oder eine Mindestpatientenzahl. Das erinnert an die in manchen Regionen bereits existierenden Strukturpauschalen.

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Verbündete: Minister Lauterbach, hausärztliche Funktionäre.

Technisch soll das große Kunststück mit der Einführung einer speziell für Hausärzte abgeteilten morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) bewerkstelligt werden. Diese müssten die Krankenkassen beliebig auffüllen, wenn sie überschritten wird. An dieser Stelle wird auch deutlich: Hausärztlicher und fachärztlicher Bereich der ambulanten Versorgung würden radikal getrennt; die neuen Vorteile kommen ausschließlich den Hausärzten zugute. Entsprechend schlecht kommt die Reform bei Standesvertretern der Fachärzte an.

Weitere Wohltaten für Hausärzte

Doch damit nicht genug: Lauterbach, der seit vielen Jahren für eine Stärkung der Hausarztmedizin wirbt (auch wenn das bisher nicht zu übermäßiger Beliebtheit in der Arztgruppe geführt hat), machte noch weitere Ankündigungen, die nach seinen Worten seit dem Frühsommer 2023 in seinem Haus ausgearbeitet würden und ebenfalls bald in einem Gesetzesentwurf münden würden:

  • eine jährliche Vergütung für eine qualifizierte Hitzeberatung vulnerabler Menschen,

  • ein spürbarer Bürokratieabbau auch bei den „ausufernden Kontrollmechanismen“ der Kassen,

  • Patientenboni für die Teilnahme an Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV),

  • telefonische Krankschreibungen und Rezepte für die der Praxis bekannten Patienten,

  • eine wirkungsvolle Bagatellgrenze bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit dem Ziel, diese Prüfungen deutlich zurückzufahren.

Speziell der letzte Punkt lässt noch einmal aufhorchen: Könnte es sich dabei um einen Einstieg in den Ausstieg aus dem Regresswesen handeln? Lauterbach hat öffentlich bekundet, dass er Arznei- und Heilmittelregresse allenfalls in Extremfällen für berechtigt hält. So oder so: Wenn er das Paket durch Bundestag und Bundesrat bekommt, wird Lauterbach als „Minister der Hausärzte“ in die Geschichte eingehen