Eine schlanke Frau Mitte 30, auf den ersten Blick bei gutem Allgemeinzustand, nahm wegen einer Bronchitis mit viel Husten seit vier Tagen einen Gyrasehemmer. Nachts hatte sie seitdem wiederholt Albträume, in denen sie sterben musste. Ein Zusammenhang mit dem Medikament erschien mir plausibel, aber irgendetwas passte nicht - wirkte die Patientin doch erstaunlich wenig belastet. Ich wollte zumindest ein ärztliches Ohr auf die Bronchitis werfen. Doch was hörte ich bei der Auskultation der basalen Lungensegmente beidseitig? Nichts!

Im Ultraschall fanden sich sehr ausgedehnte echofreie Pleuraergüsse. Die weitere Diagnostik ergab eine Dissektion der Aorta ascendens mit erheblicher Dilatation des Aortenbogens und der Aortenklappe. Aufgrund deren Insuffizienz hatte sich ein im Stehen eben noch kompensiertes Linksherzversagen entwickelt, welches im Liegen dekompensierend die Todesängste auslöste - die die Patientin als Albträume empfunden hatte. Im Verlauf erfolgte die Notfallverlegung in eine Herzchirurgie.

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© vxnaghiyev / stock.adobe.com (KI-generiertes Symbolbild)

Im Nachtbett überfällt sie Todesangst.

Die Aortendissektion betrifft dreimal mehr Männer als Frauen und eher Personen über 60. Im Winter wird sie häufiger akut. 20% der Fälle sind mit einer Kollagenose assoziiert. Weitere Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Rauchen und Artherosklerose. All dies traf bei meiner Patientin nicht zu!

Fazit: Trotz aller Routine bleiben die „4 A“ stets grundlegend: Anamnese, Angucken, Ausziehen, Anfassen. Oft trügen unsere vordergründigen Vorstellungen; erst die (selbst)kritische Abwägung der 4 A ermöglicht eine sinnhafte Analyse. In diesem Fall führte erst das Anfassen (Auskultieren) zur Lösung des Problems Albträume.

Ursache und Wirkung medizinischer Phänomene sind nicht statistisch, sondern individuell zu betrachten. Lange hatte die Patientin eine zunehmende Verschlechterung ihrer Linksherzbelastbarkeit nicht wahrgenommen, eine Belastungsdyspnoe oder Schmerzen hatte sie nicht erlebt - nur Husten und Albträume im Liegen. Bei der Interpretation von Gesagtem und Gefühltem muss man mitunter um die Ecke denken - oder auch um zwei!