Die gängigen Leitlinien betonen den Nutzen einer antihypertensiven Behandlung auch bei alten Menschen. Offensichtlich werden die Empfehlungen jedoch nur ungenügend in die Praxis umgesetzt, wie eine Sekundäranalyse der SPRINT-Studie ergab.

In der SPRINT-Studie wurden wichtige Fragen zu systolischen Blutdruckzielen bei Hypertonie untersucht. Sie wurde 2015 wegen der deutlichen Überlegenheit des Zielwerts < 120 mHg gegenüber < 140 mmHg vorzeitig abgebrochen. Für eine Sekundäranalyse wurden nun Teilnehmende aus beiden Gruppen eingeschlossen, bei denen eine Senkung des Blutdrucks unter den Zielwert nicht gelang. Als Untertherapie definierte man eine ausbleibende Therapieanpassung in dieser Situation.

Die Auswertungen zeigten, dass die unzureichende Therapie mit steigendem Alter häufiger vorkam. In der Gruppe mit intensiver Behandlung waren 53,8% der Teilnehmenden < 60 Jahren betroffen. In den folgenden Lebensjahrzehnten waren es 55,1% und 57,2%, und bei den über 80-Jährigen waren es 57,8%. Ähnlich sah es in der Gruppe mit dem Zielblutdruck < 140 mmHg aus: Hier stieg die Untertherapie-Rate mit dem Alter von 56% auf 60,1%.

Ein weiterer wesentlicher Befund der Studie war, dass dieser Zusammenhang nicht vom Grad der Gebrechlichkeit, den kognitiven Leistungen oder der Gehfähigkeit abhing. Dies bedeutet, dass auch ältere Patienten ohne derartige Beeinträchtigungen überdurchschnittlich häufig eine nicht ausreichende Therapie erhielten.

Quelle: Zheutlin AR, Addo DK, Jacobs JA et al. Evidence for Age Bias Contributing to Therapeutic Inertia in Blood Pressure Management: A Secondary Analysis of SPRINT. Hypertension. 2023;80:1484-93

MMW-Kommentar

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass Sinn und Nutzen einer antihypertensiven Therapie auch bei älteren Patienten offenbar nicht ausreichend bekannt oder verstanden sind. Auch in unserer täglichen Praxis sollte der Blick immer wieder darauf gerichtet sein, ob wir bei den Therapieentscheidungen zum Beginn einer blutdrucksenkenden Behandlung noch alten Verhaltensmustern folgen oder die neueren Erkenntnisse zur Blutdrucktherapie im Alter ausreichend umsetzen.

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Prof. Dr. med. Walter Zidek

Endokrinologie und Nephrologie, Meoclinic, Berlin