Ein Mann Anfang 20 kam in die Notaufnahme, weil ihm das Gesicht und die linke Hand angeschwollen waren und er kaum noch atmen konnte. Die Inspektion ergab außerdem Ödeme an Zunge, Gaumen, Zäpfchen, Kehldeckel und Stimmbändern. Ausschlag oder Juckreiz bestanden nicht.

Der Patient berichtete, dass solche Attacken normal bei ihm seien und er seit zwei Jahren in akuten Fällen antiallergisch behandelt werde. Ein Allergen sei allerdings nie identifiziert worden. Weil sich die Situation verschlechterte, musste der Mann mit einer Tracheotomie und Fresh Frozen Plasma stabilisert werden. Danach wurde sein Komplementsystem labortechnisch untersucht. Die Spiegel der Komplementfaktoren C1q und C3 waren unauffällig, während C4 und C1-Esterase-Inhibitor erniedrigt waren. Die C1-Inhibition erreichte 39,9%; erst ab 68% geht man von einer normalen Funktion aus.

In der Differenzialdiagnose fielen akute, einmalige Ursachen aus, ebenso aufgrund des Fehlens anderer Allergiesymptome alle histamin vermittelten Formen des Angioödems. Das seltene erworbene Angioödem geht mit einem erniedrigten C1q-Spiegel einher. Am ehesten passte das hereditäre Angioödem, und zwar in der Variante mit defekter C1-Inhibition - eine seltene, autosomal-dominant vererbte Störung.

Die drei bis fünf Tage dauernden Episoden können u. a. durch Unfalltraumen, (zahn)ärztliche Eingriffe und östrogenhaltige Medikamente ausgelöst werden. Eine antihistaminische Behandlung wirkt nicht, stattdessen können Bradykinin-B2-Rezeptor-Antagonisten, Plasma-Kallikrein-Inhibitoren und Injektionen von C1-Inhibitor gegeben werden. Auch die Plasmatransfusion hat ihren Platz im Akutmanagement.

Quelle: Luo X, Huang X, Su J, Yang Q. An unusual cause of recurrent facial oedema. BMJ. 2023;382:e074239