Jeder weiß, dass GLP-1-Rezeptor-Agonisten v. a. zu Therapiebeginn zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen führen können. Weniger bekannt ist, dass auch die Risiken für Pankreatitis, Gastroparese und Darmverschluss erhöht werden.

Bislang waren GLP-1-Agonisten verschreibungspflichtige Antidiabetika. Nun sind sie auch eine interessante Therapieoption bei krankhaftem Übergewicht geworden. Bei entsprechend breiterem Einsatz müssen auch seltene schwere Nebenwirkungen beachtet werden. Bereits in Studien in der Diabetestherapie war ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen der Gallenwege, Pankreatitis, Darmverschluss und Gastroparese beschrieben worden. Da Menschen mit Diabetes ein höheres Ausgangsrisiko für gastrointestinale Nebenwirkungen haben, kann sich das Risiko bei Nicht-Diabetikern, die diese Arzneimittel gegen Adipositas einnehmen, unterscheiden.

Aus diesem Grund untersuchte eine Studiengruppe aus Kanada unerwünschte gastrointestinale Ereignisse im Zusammenhang mit Inkretinmimetika, die zur Gewichtsabnahme eingesetzt werden. Sie verwendete eine Stichprobe von 16 Mil-lionen Patientinnen und Patienten mit Verschreibungs- und Diagnosedaten aus den Jahren 2006-2020.

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© Fernanda, Stock Adobe

Therapieoption bei Adipositas: GLP-1-Agonisten wie Semaglutid.

In der Kohortenstudie wurden Neuanwenderinnen bzw. -anwender von Liraglutid (n = 4.144) oder Semaglutid (n = 613) einbezogen sowie Patienten, die die Fixkombination aus Naltrexon und Bupro- pion (n = 654) einnahmen, ebenfalls ein Mittel zur Gewichtsreduktion, das nicht zu den GLP-1-Agonisten gehört.

Die Inzidenz von Erkrankungen der Gallenwege pro 1.000 Personenjahre betrug 18,6 für Liraglutid, 11,7 für Semaglutid und 12,6 für Naltrexon-Bupropion. Die Inzidenz von Pankreatitiden erreichte 7,9 (Liraglutid), 4,6 (Semaglutid) bzw. 1,0 (Naltrexon-Bupropion), die für einen Darmverschluss 8,1, null bzw. 1,7 und die für eine Gastroparese 7,3, 9,1 bzw. 3,1.

Höheres Pankreatitisrisiko unter GLP-1-Agonisten

Die Einnahme von GLP-1-Agonisten war im Vergleich zu Naltrexon-Bupropion mit einem um 809% höheren Risiko für eine Pankreatitis, einem um 322% höheren Risiko für einen Darmverschluss sowie einem um 267% höheren Risiko für eine Gastroparese verbunden. Hingegen war das Risiko für eine Erkrankung der Galle oder Gallenwege nicht gesteigert. In den Berechnungen wurden alle Einflussgrößen berücksichtigt, die als gemeinsame Ursachenvariablen oder Risikofaktoren identifiziert wurden.

"Unerwünschte Ereignisse müssen berücksichtigt werden"

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass sich das Nutzen-Risiko-Kalkül für GLP-1-Agonisten bei Personen, die die Medikamente zur Gewichtsabnahme einnehmen, von denjenigen zur Behandlung von Diabetes unterscheidet. Die Autoren: "Angesichts des breiten Einsatzes der GLP-1-Agonisten müssen diese unerwünschten Ereignisse - auch wenn sie selten sind - bei Patienten berücksichtigt werden, die eine Verwendung der Medikamente zur Gewichtsabnahme erwägen."

Quelle: Sodhi M et al. JAMA 2023; doi:10.1001/jama.2023.19574