Ein 54-jähriger Mann, der mir schon häufiger mit diversen Spirituosen auf Bänken sitzend im Stadtbild aufgefallen war, stellte sich in meiner Praxis vor, weil sich sein Bauchnabel "irgendwie vergrößert" habe. In der Tat hing vor seinem Bauch eine Kugel von der Größe einer Galiamelone.

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© C. Raschka

Das Abdomen war insgesamt aufgetrieben, wobei sich die Masse beim Hinlegen fluide zu den Körperflanken hin verlagerte. Die Haut wirkte gelblich. Es ergab sich das typische Bild eines Aszites bei äthyltoxischer Leberzirrhose. Die Nabelveränderung war somit eine große, mit Bauchwasser gefüllte Nabelhernie, was sich auch sonografisch bestätigte.

Nabelhernien betreffen bis zu 20% der zirrhotischen Patienten mit Aszites. Sie sind damit häufig; die Prävalenz liegt etwa um den Faktor 10 höher als in der Allgemeinbevölkerung. Eine wesentliche Ursache ist die Muskelatrophie in Verbindung mit dem erhöhten intraabdominalen Druck.

Eine Operation ist mit einem hohen Risiko verbunden und wird daher eher bei Komplikationen wie einer Strangulation des Darms oder einer Hautruptur mit Austritt von Aszitesflüssigkeit in Erwägung gezogen. Das bedeutet, dass viele Patienten - selbst bei einem so imposanten Befund wie bei unserem Patienten - konservativ behandelt werden.

Andererseits gilt es zu bedenken, dass die Operationsmortalität bei Patienten mit Leberzirrhose und den genannten Komplikationen Studien zufolge um den Faktor 7 höher liegt als bei der elektiven Hernienreparatur. Vor diesem Hintergrund kann ein zu langes Zuwarten auch nachteilig sein. Als besondere Risikofaktoren gelten große Hernien, Schmerzen, intermittierende Inkarzerationen sowie trophische Veränderungen der darüber liegenden Haut. Patientinnen und Patienten mit Aszites sollten zur weiteren Abklärung und zum Ausschluss seltener Ursachen ins Krankenhaus eingewiesen werden.

Unserem Patienten war es nach der Aufklärung über die Risiken besonders wichtig, die Nabelhernie entfernt zu bekommen. Wir wiesen ihn daher sofort in die Klinik ein. Er begab sich auch zunächst dorthin, doch wie wir später erfuhren, verließ er das Krankenhaus schon am folgenden Tag auf eigenen Wunsch. Er stellte sich danach auch nicht mehr in unserer Hausarztpraxis vor.

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Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. Sportwiss. Christoph Raschka

Praxis für Allgemeinmedizin - Sportmedizin, Im Igelstück 31, D-36088 Hünfeld