Die rektale Untersuchung im Rahmen der Krebsvorsorge gehört zum Obligo. Im Studium eingepaukt, wurde sie streng hierarchisch vom Professor via Oberarzt und Stationsarzt zum studentischen Famulus delegiert - und damals mit dem Begriff "Hafenrundfahrt" maliziös "schmackhaft" gemacht. Zu den Favoriten ärztlichen Handelns gehörte sie nicht. Im letzten Kliniksemester famulierte ich drei Monate in einer Tuberkuloseklinik. Hektik war dort ein Fremdwort, zum Ausgleich durfte ich montags an 25 Neupatienten die Hafenrundfahrt vornehmen. Mancher schob mir "zur Entschädigung für diese Schweinerei" einen Fünfmarkschein in den Kittel.

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"Ahoi! Bitte, an Bord kommen zu dürfen ..."

Jahrzehnte später war ich in eigener Praxis tätig. Die Gemeinde schöpfte alljährlich einen üppigen Fremdenverkehrsbeitrag ab. Ich verstand den Grund nicht genau, denn ein Fremder kam nie in meine Praxis. Dies änderte sich jedoch schlagartig.

Ich lebte in friedlicher Koexistenz mit einer älteren Kollegin, die die "gute Medizin", sprich Homöopathie, vertrat. Ich war als universitärer Schulmediziner ein zu duldender Vertreter der "bösen Medizin". Zu ihr kamen jedes Jahr Scharen britischer Touristen. Im Königreich ist der Arztzugang mit einem Lottogewinn zu vergleichen, daher ließ man sich gern im Urlaub in Deutschland durchchecken.

Eines Tages erschienen die Gentlemen zuhauf mit Überweisung zur Hafenrundfahrt in meiner Praxis. Offenbar gehörte diese Leistung nicht zum Spektrum der Homöopathie, und die Kollegin weigerte sich, sie durchzuführen. Ich war not amused, tat aber das Nötige - und erklärte den Insulanern, dass es bei mir zukünftig im Sinne der ganzheitlichen Medizin nur ein Ganz oder Gar nicht gäbe.

Die Herren waren verständig. Der Urlauberschwarm strömte zukünftig in meine Richtung. Damit war mein Fremdenverkehrsbeitrag nun gerechtfertigt.