Ich führte im Beisein der Kriminalpolizei eine an sich unspektakuläre Leichenschau durch. Schwer kranker Patient, offenbar vieljähriger Alkohol-abusus - an einem natürlichen Tod hatte ich keinen Zweifel. Da erzählte der ebenfalls anwesende Bruder etwas von tausend Euro, die irgendwo in einer Küchenschublade liegen mussten. Damit habe der Tote einen Handwerker bezahlen wollen. Die Polizistin suchte kurz, fand das Geld aber nicht. Schließlich stand dies ja auch nicht im Vordergrund ihres Einsatzes.

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Während ich die Leichenschaupapiere ausstellte, ging ein Anruf ein. Es war die Schwägerin. "Hen ihr die tausend Euro gefonda?", tönte es aus dem Hörer. "Noi, die suchet noch", war die Antwort. Es folgten ein paar weitere Sätze zu der Bargeldsache. Dann war das Gespräch beendet.

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© Viktor_Gladkov / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

"Irgendwo hier muss es doch sein!"

Nach weiteren 15 Minuten rief ein anderer Bruder des Verstorbenen an. "Hend ihr dia dausend Eiro gfonda?", tönte es nach zwei einleitenden Sätzen. Abschließende Antwort wieder: "Noi, die suached no." Ich war schon sehr erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit man bei diesem Todesfall nach dem Geld fragte. Der Tote selbst stand als Thema weitgehend im Hintergrund.

Schließlich fand die Kriminalpolizistin tatsächlich ein Kuvert mit Bargeld, worin sich knapp 2.000 Euro befanden. "Das Geld werden Sie nun wohl an sich nehmen müssen", sagte ich mit einiger Bestimmtheit zu ihr. Nach einigem Zögern gab sie mir Recht.

Sie erklärte dem Bruder die Rechtslage und warum sie das Bargeld zunächst einmal verwahren müsse. Dieser war natürlich nicht begeistert, aber es blieb ihm nichts übrig als zuzustimmen.