Patientinnen und Patienten, die nach einem ischämischen Insult kein Statin erhalten, haben ein erhöhtes Risiko für weitere vaskuläre Ereignisse. Die Statintherapie hat keinen Einfluss auf das Risiko intrazerebraler Blutungen.

Registerdaten von 59.588 Menschen mit ischämischem Schlaganfall aus 20 finnischen Krankenhäusern wurden retrospektiv untersucht. Die Einnahme eines Statins wurde in 90-Tage-Intervallen aus den Rezepteinlösungen rekonstruiert. Ausgangsmerkmale, Komorbiditäten, andere Medikamenten, Thrombolyse und Thrombektomie wurden durch inverse Wahrscheinlichkeitsgewichtung ausgeglichen. Das Follow-up betrug median 5,7 Jahre.

36% Risikosteigerung für ein schweres zerebro- oder kardiovaskuläres Ereignis binnen eines Jahres ohne Statineinnahme

Bei 27,1% der Schlaganfallpatienten erfolgte keine Statintherapie innerhalb von 90 Tagen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Frauen und ältere Personen nahmen seltener Statine ein. Während der Beobachtungszeit traten 19.828 weitere vaskuläre Ereignisse auf, davon 10.914 erneute ischämische Schlaganfälle, 4.394 Myokardinfarkte und und 1.607 zerebrale Blutungen. 11.663 Personen starben an einer kardiovaskulären Ursache.

Die Gesamtmortalität nach einem Jahr lag bei den Patientinnen und Patienten ohne Statineinnahme bei 7,5%, mit Statintherapie nur bei 4,4% (Hazard Ratio [HR] 1,74; 95%-Konfidenzintervall 1,61-1,87). Nach zwölf Jahren betrug die Mortalität 56,8% vs. 48,6% (HR 1,37; 1,33-1,41). Die kumulative Inzidenz schwerer unerwünschter zerebro- oder kardiovaskulärer Ereignisse war ohne Einnahme von Statinen höher, und zwar sowohl nach einem Jahr (HR 1,36; 1,29-1,43) als auch nach zwölf Jahren (HR 1,21; 1,18-1,25). Kardiovaskulärer Tod, rezidivierende Schlaganfälle und Myokardinfarkte traten ohne frühe Statineinnahme ebenfalls häufiger auf. Die frühe Statineinnahme war nicht mit einem erhöhten Risiko für zerebrale Blutungen verbunden.

Quelle: Åivo J, Ruuskanen JO, Tornio A et al. Lack of statin therapy and outcomes after ischemic stroke: A population-based study. Stroke. 2023;54:781-90

MMW-Kommentar

Die Studie zeigt den Effekt einer frühen Statintherapie, kann allerdings viele wichtige Fragen in diesem Zusammenhang nicht beantworten. So sind z. B. die Cholesterinspiegel zum Zeitpunkt des Schlaganfalls nicht bekannt, ebenso wenig wie die Gründe, eine Statintherapie nicht zu starten, oder die Zahl der Therapieabbrüche wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen, etwa Muskelschmerzen.

Die Wirkung der Statine zur Reduktion von vaskulären Ereignissen beruht aber sehr wahrscheinlich nicht nur auf der Senkung des Serumcholesterins, sondern auch auf ihren pleiotropen Effekten. Statine haben darüber hinaus eine plaquestabilisierende Wirkung, die besonders bei der Verhinderung von ischämischen Schlaganfällen bei Patientinnen und Patienten mit Stenosen und Plaques der hirnversorgenden Arterien eine Rolle spielt.

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Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener

Klinische Neurowissenschaften, Universität Duisburg-Essen