Die Einführung des Facharztes für Innere Medizin und Infektiologie kann die Versorgung von HIV und Co. voranbringen. Allerdings können viele Fähigkeiten nur im ambulanten Setting erworben werden. Dies wird noch nicht konsequent berücksichtigt - auch nicht bei einem Förderprogramm der Regierung.

Schon seit Jahren sind Infektionskrankheiten eine wachsende Herausforderung. Das betrifft etwa sexuell übertragbare Infektionen, Tuberkulose, Hepatitiden und Immundefekte, aber auch neuartige bakterielle und virale Infektionen und sowie den rationalen Antibiotika-Einsatz. Das Gros der Betroffenen wird nicht im hochspezialisierten klinischen Setting, sondern niederschwellig im ambulanten Bereich versorgt. Dies trägt zur Prävention und zur zielgenauen Versorgung von Infektionen wie auch zum sachgerechten Einsatz von Antibiotika bzw. Arzneimitteln bei. Die HIV-Medizin ist ein gutes Beispiel für diese Strategie.

figure 1

© mladenbalinovac / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Der Normalfall: Ambulante Versorgung bei HIV.

Der 124. Deutsche Ärztetag hat im Mai 2021 die Einführung eines "Facharztes für Innere Medizin und Infektiologie" beschlossen. Dieser Schritt war und ist richtig, um die Versorgungsqualität im Bereich Infektiologie zu verbessern. Bislang gibt es in Deutschland keine vertiefende klinische Facharztkompetenz. Nicht nur die COVID-19-Pandemie belegt allerdings, dass Infektionskrankheiten weiter an Bedeutung zunehmen werden. Aktuell setzen die Landesärztekammern den Ärztetagbeschluss in ihren Weiterbildungsordnungen um.

This article is part of a supplement not sponsored by the industry

Infektiologieföderprogramm verlängert

Parallel hat die Bundesregierung Ende 2022 das sogenannte Infektiologieförderprogramm verlängert. Richtigerweise wird darin argumentiert, dass Fachärztinnen und Fachärzte mit infektionsmedizinischer Qualifikation besondere Kenntnisse und Erfahrungen in Diagnostik und Therapie komplexer Infektionen und deren Nachsorge sowie der individuellen Prophylaxe besitzen. Dabei können Infektionsdiagnostik und rationale Antiinfektiva-Verordnung im komplexen Einzelfall auch durch infektiologische Konsiliartätigkeit gesichert werden.

Die Infektiologie als Schwerpunktfach wird helfen, Krankenhausinfektionen vorzubeugen. Das Regierungsprogramm erkennt hier den Handlungsbedarf und fördert strukturiert. Allerdings greift der alleinige Blick auf die stationäre Infektiologie zu kurz: Wesentliche infektiologische Inhalte sind nur bedingt oder gar nicht im stationären Bereich erwerbbar, sondern dem ambulanten oder dem niedergelassenen Setting vorbehalten.

Für die PrEP und das STI-Screening ist das ambulante Setting bestens geeignet

Hierzu zählen v. a. die Betreuung der Menschen mit einer HIV-Infektion, die Präexpositionsprophylaxe (PrEP), sexuell übertragbare Krankheiten, das allgemeine und das spezielle Impfwesen, milde Covid-Erkrankungen sowie deren PrEP bei Immundefizienten, chronische Hepatitiden, Diagnostik und ggf. Therapie bei Menschen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten, multiresistente Erreger sowie die Steuerung einer ambulant parenteralen Therapie. Eine sektorenübergreifende Weiterbildung muss mithin obligatorisch sein, damit infektiologische Lerninhalte, die typisch für die ambulante Versorgung sind, auch dort erlernt werden können.

Das gesundheitspolitische Ziel ist eine ausreichende Anzahl von Ärztinnen und Ärzten mit infektiologischen Kenntnissen zur dauerhaften Verbesserung der Versorgung, gerade auch durch infektiologische Konsiliartätigkeit. Dafür muss auch der vertragsärztliche Bereich vorankommen. Konsequenterweise sollte das Infektiologieförderprogramm schnellstmöglich erweitert werden.

Einerseits sollten auch jene Ärztinnen und Ärzte die Förderung erhalten können, die den neuen Facharzt im Rahmen einer Übergangsregelung einer Landesärztekammer erwerben. Andererseits muss auch die Förderung der Weiterbildung durch KVen und Krankenkassen weiterentwickelt werden. Bundesweit sollten idealerweise bis zu 150 ambulante Weiterbildungsstellen im Jahr entstehen. Um die aktuell geringe Zahl ausgebildeter Infektiologinnen und Infektiologen kurzfristig zu erhöhen, könnten all jene, die bereits heute eine Zusatzweiterbildung Infektiologie besitzen, den Nukleus für die ambulante Infektiologie bilden.

Sachgerechte Übergangsregelungen tun jetzt Not! Auf Dauer brauchen wir gute Leitplanken in der vertragsärztlichen Versorgung - für Qualitätssicherung, Bedarfsplanung, Vergütung etc.

figure 2

PD Dr. med. Markus Bickel

Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä)