Bei Patientinnen und Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen ist in Krisen oft die Einweisung in eine Spezialklinik indiziert. Eine Studie zeigt, dass eine intensive Betreuung zu Hause im Hinblick auf Symptomlast, Lebensqualität und Suizidalität sogar besser sein könnte.

Die randomisierte Studie schloss 246 Patientinnen und Patienten ein, bei denen wegen einer psychiatrischen Diagnose die Indikation für eine stationäre Aufnahme gestellt wurde. 63 kamen tatsächlich in die Klinik, 183 erhielten eine intensive Versorgung in der eigenen Häuslichkeit, bei der ein Team aus Psychiatern, Psychologen und Pflegekräften mit den Betroffenen und Angehörigen den Behandlungsplan erarbeitete. Dieser beinhaltete die Pharmakotherapie, den Aufbau von Tagesstruktur, Psychoedukation, supportive Gespräche, Elemente von kognitiver Verhaltenstherapie, Unterstützung von Sozialarbeitern sowie der Aufbau des informellen Hilfesystems. Hauptendpunkt war die Zahl der Krankenhaustage in den folgenden zwölf Monaten.

43% der Teilnehmenden hatten eine affektive Störung als primäre Diagnose, 31% eine psychotische Störung, 12% eine komorbide Persönlichkeitsstörung und 15% eine Substanzgebrauchsstörung. In der Interventionsgruppe waren die Teilnehmer signifikant jünger und lebten seltener allein.

Nach einem Jahr lag der Mittelwert der Krankenhaustage in der zu Hause betreuten Gruppe um 36,6% niedriger als in der Klinikgruppe (32,47 vs. 67,02 Tage, p = 0,033), auch wenn die Anzahl an Hospitalisierungen keinen signifikanten Unterschied zeigte. Auch die gemessenen klinischen Endpunkte wie Symptome, Lebensqualität, Suizidalität, suizidales Verhalten und Suizide unterschieden sich nicht, ebenso wenig wie die Patientenzufriedenheit.

Quelle: Cornelis J, Barakat A, Blankers M et al. The effectiveness of intensive home treatment as a substitute for hospital admission in acute psychiatric crisis resolution in the Netherlands: a two-centre Zelen double-consent randomized controlled trial. Lancet Psychiatry. 2022;9:625-35

MMW-Kommentar

Eine stationäre Behandlung ist immer ein einschneidendes Erlebnis. Eine zeitnahe intensive Behandlung und Genesung im häuslichen Umfeld, v. a. bei peripartalen Depressionen/Psychosen oder wenn unterstützende Angehörige einbezogen werden können, kann hier einen wesentlichen Unterschied machen. Leider sind aber die ambulanten Strukturen für akute Krisen meist nicht ausreichend und in der Krise z. B. aus der Notaufnahme heraus nicht unmittelbar verfügbar. Da die Behandlung zu Hause sich in dieser Studie auch als sicher erweist, geben die Ergebnisse eine wichtige Einschätzung für die weitere Veränderung der psychiatrischen Versorgung.

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Dr. med. Jakob Kaminski

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Berlin