Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass eine sexuelle Beziehung mit einer Patientin in der Regel missbräulich ist - und Ausnahmen definiert.

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Verboten: Affäre im Sprechzimmer.

Eine Frau nahm innerhalb eines Jahres über 30 Behandlungstermine bei einem Orthopäden wahr, in deren Verlauf sich die beiden sexuell näherkamen. Der Arzt wurde deshalb vom Amtsgericht Essen wegen sexuellen Missbrauchs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein.

Das Landgericht Essen stellte sich in nächster Instanz auf seine Seite: Es war der Ansicht, dass die Patientin nicht von der Autorität des Arztes eingeschüchtert und eingenommen worden sei, sondern selbstbestimmt die Vertiefung der Beziehung gesucht habe. Der Mediziner habe folglich seine Vertrauensstellung nicht ausgenutzt. Er wurde freigesprochen.

Gegen diese Entscheidung wiederum legten die Staatsanwaltschaft und die Patientin Revision beim Oberlandesgericht Hamm ein. Dieses schließlich argumentierte, dass es für eine Strafbarkeit nach § 174c StGB irrelevant sei, ob die Initiative von der Patientin ausgehe oder ob die Handlungen ihrem Willen entsprächen. Ein Missbrauch der besonderen Autoritäts- und Vertrauensstellung liege nur dann nicht vor, wenn sich Arzt und Patientin auf Augenhöhe begegnen (Az: 5 RVs 60/22).

Das Verfahren wurde zurückverwiesen. Das Landgericht muss nun klären, ob sich die beiderseitige Anziehung bereits vor dem ersten Sex manifestiert hat, in welchem Umfang eine Kommunikation auch außerhalb der Praxis stattgefunden hat und warum die Patientin nach dem ersten Mal weiterhin Kontakt mit dem Arzt pflegte.

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