Vor 30 Jahren, als wir die Welt im Aufwind glaubten, hatte ein Kollege in der HNO-Klinik ein merkwürdiges Erlebnis mit einem PJ-Studenten. Er wollte ihm einen außergewöhnlichen Befund bei einem Patienten zeigen. Zu seiner Überraschung weigerte sich der junge Kollege mit dem Satz: "Ey, nicht noch'n Ohr! Das interessiert mich nicht. Ich geh sowieso in 'ne Unternehmensberatung."

Da gibt es Parallelen zu einer Freundin von mir, die als Grundschullehrerin ihre Tochter zum Lehramtsstudium inspiriert hat. Mit den Jahren hat die Freundin aber so viel Druck und Aggression der Eltern erlebt, dass die Tochter wohl nicht in ihre Fußstapfen treten wird. "Mama, ich sehe, was du alles aushalten musst", offenbarte ihr die Tochter. "Demnächst kommt noch die Benotung der Lehrer. Ich will nicht in die Schule, lieber gehe ich in ein Ministerium!"

Ich kann sie verstehen, und vielleicht ist der damals junge Kollege in der Unternehmensberatung schon längst mit genügend Geld in den vorgezogenen Ruhestand gegangen. Aber wer wird künftig die Kinder unterrichten oder ihnen in die Ohren schauen wollen?