Nicht nur bei spezifischen Infektiologie-Tagungen sowie nationalen und internationalen Kongressen kommen jeweils die neuesten Themen zur Sprache, sondern auch beim jährlich stattfindenden Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Was bewegt uns im Jahr 2023?

COVID-19

Das am häufigsten genannte infektiologische Thema der letzten drei Jahre ist selbstverständlich COVID-19. Was jetzt noch in der Praxis relevant ist, ist die Frage nach der frühen antiviralen oralen Therapie. Die Verordnung für Patientinnen und Patienten mit ausgeprägtem Risikoprofil (Alter, Komorbidität, Immundefekt …) ist denkbar einfach. Dennoch wurde es von vielen Kolleginnen und Kollegen noch nicht ausprobiert.

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Infektiologie: Auch für Hausärzte und Internisten relevant.

Auf dem Rezept muss als Kostenträger das Bundesamt für soziale Sicherung sowie neben der ausgewählten Substanz (firstline: Paxlovid®; als Alternative nach dem "aus" von Molnupiravir nur noch die i.v. Gabe von Remdesivir möglich, falls Paxlovid wegen Interaktionen kontraindiziert ist ) und den üblichen Patienten-/Arztdaten auch das "Haltbarkeitsdatum" des Rezepts eingetragen werden. Länger als 5 Tage sollte der Behandlungsbeginn mit diesen Substanzen nicht hinausgezögert werden, sonst kann das Ziel, Hospitalisierung, schweren Verlauf und Tod zu verhindern, nicht erreicht werden.

App der University of Liverpool zu COVID-19- Medikamenteninteraktionen: https://go.sn.pub/tBEImJ

Die Frage nach Interaktionen wird sehr einfach mithilfe einer App beantwortet. Medikamenteninteraktionen betreffen insbesondere die Zytochrom-p450-assoziierte Wirkungsverstärkung der Komedikation, die ein Problem darstellen kann.

Eine leicht bedienbare und inzwischen populäre Medizin-App steht von der University of Liverpool zur Verfügung - in Analogie zu den bereits bekannten Apps zu antiviralen Therapien von HIV und Hepatitis (www.covid19-druginteractions.org).

Weitere Impfempfehlungen

Durch die Corona-Pandemie ist die Ständige Impfkommission (STIKO) noch bekannter geworden. Neben den SARS-CoV-2-Impfungen gab es in den letzten zwei Jahren weitere wichtige Empfehlungen:

  • die Zoster-Impfung für über 60-Jährige;

  • die Impfung gegen invasive Pneumokokkenerkrankungen (neuerdings gibt es auch den 20-valenten Konjugatimpfstoff, wenngleich noch nicht als Kassenleistung);

  • die Influenzaimpfung mit dem effektiveren Hochdosisvakzin für Menschen ab 60 Jahren;

  • der Hinweis darauf, dass es deutliche Defizite bei der HPV-Impfung von Jugendlichen gibt, insbesondere bei den Jungen.

Nach der Pandemie ist vor der nächsten Pandemie. Das Thema Reisemedizin und Impfen wird wieder aktueller denn je: Gewarnt wird vor Reisen in ständige Endemiegebiete der "Impfvirus-Polio", ohne dass man einen gegen Polio aktiven Impfschutz besitzt [10].

Impfen ist und bleibt eine wichtige Domäne in der Hausarztpraxis. Jede Reiseberatung und Reiseimpfung sollte deshalb genutzt werden, den Impfschutz gegen die Standard-Risiken zu überprüfen und ggf. aufzufrischen.

Mpox

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat uns gelehrt, dass ein Pathogenitätswandel durch Wirtswechsel eines viralen Erregers nicht ungewöhnlich ist. Im letzten Jahr musste bereits die nächste Pandemie ausgerufen werden: Mpox oder ursprünglich "Affenpocken" waren der Aufreger der letzten 12 Monate [2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9]. Glücklicherweise ist die Infektiosität durch direkten Kontakt und Schmierinfektion nicht hoch, und außerhalb der durch Intimkontakt übertragenen Infektionen hatte die Verbreitung keine Relevanz.

Behandlung von Clostridien

Der Schwerpunkt "Nationale und internationale Leitlinien und Register im Vergleich" beim DGIM-Kongress kann auch infektiologisch durchdekliniert werden. Neben vielen anderen Beispielen sei hier erwähnt, dass die neue europäische Leitlinie für Clostridioides-Colitis nun neben Vancomycin auch Fidaxomicin in der Erstlinientherapie platziert [1]. Im Gegensatz zu früher werden Metronidazol oder gar Ciprofloxacin nicht mehr als Firstline empfohlen.

Insbesondere bei Patienten nach stationärem Aufenthalt, nach antibiotischer Therapie und nach Chemotherapie sollte in der Hausarztpraxis an die Möglichkeit einer C.-difficile-Colitis gedacht werden.

Rückgang der Antibiotika-Verordnungen

Das Thema "Berufsgruppenübergreifende Lösung klinischer Probleme" ist von jeher im Querschnittsfach Infektiologie repräsentiert und findet zunehmend Anwendung in interdisziplinären Fallkonferenzen, Antibiotic-Stewardship(ABS)-Konsilen und Boards. Die Erkenntnis, dass ABS nicht nur in Kliniken, sondern auch in der niedergelassenen Medizin angebracht ist, setzt sich zunehmend durch. Wichtig ist, die Qualität und Häufigkeit von Antibiotika-Verordnungen zu steuern. Der Blick auf die Verordnungsfrequenzen der letzten Jahre zeigt erfreulicherweise, dass es im niedergelassenen Bereich zu einem Rückgang gekommen ist.

Sepsis: Was kann der Praktiker tun, um sie nicht zu übersehen?

Sieht man sich die Schwerpunktthemen des DGIM-Kongresses an, sind überall Querverbindungen zum neuen Facharzt Innere Medizin mit Schwerpunkt Infektiologie erkennbar: Das Thema "systemische Manifestationen von Organerkrankungen" liest sich geradezu wie das Motto einer Sitzung über septisch verlaufende schwere Infektionen. Ausgehend von einer Organinfektion kommt es immer wieder zur Blutstrominfektion bzw. zur Sepsis und zum septischen Schock. Für den Praktiker stellt sich hier die Frage: Was kann ich tun, um dieses Krankheitsbild nicht zu übersehen? Nachdem früher die Inflammationskriterien "SIRS" (Systemic Inflammatory Response Syndrome) angewendet wurden, gilt heute der qSOFA(Quick Sequential Organ Failure Assessment)-Score als sehr gute Früherkennungsmethode. Er basiert auf drei einfachen Messungen:

  • Blutdruck (< 100 mmHg?)

  • Atemfrequenz (> 22?)

  • Bewusstseinslage.

Sind zwei der drei Werte pathologisch, kann es sich um eine Sepsis handeln. Dann ist die stationäre Einweisung naheliegend, falls nicht andere offensichtliche oder in der Anamnese bekannte Komorbiditäten für die pathologischen Werte verantwortlich sind.

Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Infektiologie

Infektiologie war zwar schon immer Bestandteil des DGIM-Kongresses. Nun kann sie jedoch mit neuem Selbstbewusstsein auftreten: Der Facharzt Innere Medizin mit Schwerpunkt Infektiologie wird inzwischen durch die jeweiligen Landesärztekammern umgesetzt. Das sechsjährige Curriculum umfasst alle Bereiche dieses großen Querschnittsfaches. Über kurz oder lang ist damit zu rechnen, dass Facharztpraxen mit dieser Fach-Bezeichnung nachrücken und beispielsweise die Aufgaben der bisherigen Schwerpunktpraxen subsumieren.

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Prof. Dr. med. Johannes R. Bogner

Med. Klinik und Poliklinik IV, Sektion klinische Infektiologie, Klinikum der Universität München