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Die Erstautorin der neuen S2k-Leitlinie "Restless-Legs-Syndrom" (RLS) erläutert das neue Verständnis über der Erkrankung und erklärt, was bei der Diagnostik und Therapie berücksichtigt werden sollte.
MMW: Was ist bei der Diagnostik des RLS wichtig? Basiert sie lediglich auf einer ausführlichen und gezielten Anamnese?
Dr. Anna Heidbreder: Grundsätzlich ist das RLS eine anamnestisch zu erhebende Diagnose. Sie basiert auf dem Abfragen der Leitsymptome: der Missempfindung der Beine, die von einem Bewegungsdrang begleitet wird, insbesondere am Abend und in der Nacht auftritt und sich bei Bewegung bessert. Die Beschwerden sollten die Patientinnen und Patienten wirklich beeinträchtigen - egal ob bei Tag oder Nacht. Dabei sollte man RLS-Mimics ausschließen, also Erkrankungen, die ähnliche Symptome haben, wie "positional discomfort", verengter Spinalkanal mit Radikulopathien, Claudicatio intermittens, Varikosis und viele andere mehr, die es abzuarbeiten gilt. Wenn zudem Komorbiditäten und Komedikationen etwa mit Antidepressiva und Neuroleptika, berücksichtigt wurden und die Diagnosekriterien erfüllt sind, kann die Diagnose klinisch gestellt werden.
MMW: Was sollte man zu möglichen Komorbiditäten wissen?
Heidbreder: Natürlich muss auch etwas Umgebungsdiagnostik betrieben und müssen Komorbiditäten identifiziert werden. Es gibt Erkrankungen, die häufig mit einem RLS verbunden sind, etwa neurologische Erkrankungen wie das idiopathische Parkinson-Syndrom, multiple Sklerose oder Narkolepsie, oder internistische Erkrankungen wie Niereninsuffizienz, Anämie oder Schilddrüsenerkrankungen. Bei der Diagnostik gehört es dazu, nach Komorbiditäten zu schauen, die möglicherweise das RLS verstärken oder auslösen können. Insgesamt ist man von dem Konzept des primären und sekundären RLS wegekommen und spricht heute mehr von einem komorbidem RLS. Wir wissen zudem, dass die Genetik eine ganz wesentliche Rolle spielt.
MMW: Was muss labordiagnostisch abgeklärt werden?
Heidbreder: Wenn ich die Diagnose gestellt habe, muss explizit der Eisenstoffwechsel labordiagnostisch untersucht werden. Denn er spielt in der Pathophysiologie wahrscheinlich eine wichtige Rolle. Die wesentlichen zwei Parameter sind sicherlich das Serumferritin und die Transferrinsättigung. Bei RLS werden dabei etwas höhere Zielwerte anvisiert als in den Referenzbereichen normalerweise aufgeführt. Man strebt bei RLS ein Serumferritin von > 75 µg/l und eine Transferrinsättigung von > 20% an.
"Bei unzureichenden Werten des Eisenstoffwechsels wird zunächst nur Eisen substituiert - das ist die Basis für alles."
MMW: Wann sollte ein RLS behandelt werden? Wie häufig reicht auch nur eine Eisensubstitution aus?
Heidbreder: Ein RLS sollte dann behandelt werden, wenn es zu einer relevanten Einschränkung der Betroffenen kommt, vor allem was den Schlaf betrifft. Bei unzureichenden Werten des Eisenstoffwechsels wird zunächst nur Eisen sub-stituiert - das ist die Basis für alles. Eisen wird nicht nur zu Beginn kontrolliert und substituiert, sondern auch immer wieder im Verlauf der Erkrankung. Zusätzlich sollte man versuchen, eine medikamentöse Therapie so spät und so niedrig dosiert wie möglich zu verabreichen, vor allem nicht höher als die für das RLS zugelassene Dosis. Bringt die Eisensubstitution keine ausreichende Linderung, sind die Non-Ergot-Dopaminagonisten Rotigotin, Ropinirol oder Pramipexol erste Wahl der Therapie sowie Pregabalin oder Gabapentin im Off-Label-Use.
MMW: Wie sind Augmentationen zu vermeiden?
Heidbreder: Man verhindert Augmentationen, indem man so niedrig wie möglich, aber adäquat dosiert und den Eisenstoffwechsel gut im Blick hat. Auch in der Augmentation ist eine Eisensubstitution oft das Mittel der Wahl. Augmentationen kommen fast ausschließlich unter dopaminerger Therapie vor und am allerhäufigsten unter Levodopa. Deshalb ist L-Dopa auch nicht mehr zur Dauertherapie empfohlen, denn auch in einem kurzen Behandlungszeitraum - insbesondere wenn Dosierungen über 200 mg pro Tag eingenommen werden - ist das Risiko für eine Augmentation stark erhöht. Auch bei anderen Dopaminagonisten können Augmentationen auftreten, jedoch in geringerem Ausmaß.
MMW: Haben Sie abschließend einen kollegialen Tipp zur Versorgung von Patientinnen und Patienten mit RLS?
Heidbreder: Die Beschwerden Betroffener sollten ernst genommen werden. Eisen sollte kontrolliert und substituiert werden - und das regelmäßig im Verlauf der Erkrankung. Und wenn behandelt wird, dann so niedrig, aber adäquat dosiert wie nötig und so spät wie möglich.
Das Interview führte Dr. Nicola Zink.
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Zink, N. "Zur Diagnostik gehört die Suche nach Komorbiditäten". MMW - Fortschritte der Medizin 165, 16 (2023). https://doi.org/10.1007/s15006-023-2369-2
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