Die Notfallversorgung steht wieder einmal vor einer Reform. Eine Regierungskommission hat Vorschläge zur Verschmelzung von KV-Notdienst und Krankenhaus-Notaufnahme erarbeitet. Nordrheins KV-Chef Bergmann weist auf Schwachstellen in dem Entwurf hin: Die Fachleute haben nicht weit genug gedacht!

Die ambulanten und die stationären Strukturen für die Akutversorgung sollen "bedarfsgerecht" weiterentwickelt werden - so weit, so gut. Ein Zerschlagen von existierenden, bewährten Konzepten wäre für alle Beteiligten allerdings extrem kontraproduktiv, ebenso wie Ideen zum Aufbau unnötiger Parallelstrukturen zur Regelversorgung.

Hier in Nordrhein haben wir in den letzten Jahren in Kooperation mit Krankenhäusern flächendeckend "Portalpraxen" etabliert. Patientinnen und Patienten werden dort je nach Erkrankungsschwere in den vertragsärztlichen oder in den stationären Sektor geleitet. Dieses Modell, das von Krankenkassen und Landespolitik konzeptionell mitgetragen wird und in ähnlicher Form auch in anderen KV-Regionen existiert, muss erhalten bleiben. Es ist auch im Kern deckungsgleich mit den nun von der Bundespolitik geplanten "integrierten Notfallzentren".

Beim Thema Finanzierung hat die Regierungskommission völlig zutreffend festgestellt, dass die rein leistungsabhängige Notdienstvergütung der Niedergelassenen nicht ausreicht. Die Lücke ließe sich durch eine Vergütung der Vorhaltekosten schließen. Hier muss eine tragfähige Reform prioritär ansetzen. Die bisherige Finanzierung örtlicher Notdienststrukturen über eine von Ärztinnen und Ärzten entrichtete Umlage ist auch im Hinblick auf die mittlerweile etablierten professionellen Strukturen einer Portalpraxis anachronistisch und zudem oftmals ein Hemmschuh unter jungen Kolleginnen und Kollegen für eine Niederlassung - die mit viel Aufwand und Einsatz finanzieller Mittel durch KVen, Länder und Kommunen gefördert wird.

figure 1

© Liubomyr Vorona / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Notrufe sollen künftig bei einer gemeinsamen Leitstelle eingehen.

Notdienst per Video - das klappt!

Auch daher braucht es zukünftig gerade beim Notdienst eine bessere Ressourceneffizienz. Dabei können digitale Instrumente nicht nur in der Steuerung der Hilfesuchenden unterstützen. So favorisieren wir auch einen intensiveren Einsatz von Videosprechstunden im ambulanten Notdienst.

Im Rahmen eines NRW-weiten Modellprojektes im Kinder-Notdienst haben wir über den Jahreswechsel 2022/2023 sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Knapp 2.500 Videosprechstunden wurden durchgeführt, fast der Hälfte der anrufenden Eltern konnte bereits durch die Online-Beratung geholfen werden. Hier sehen wir großes Potenzial, auf Patientenbedürfnisse schnell und direkt eingehen zu können und gleichzeitig Portalpraxen sowie den Fahrdienst zu entlasten.

Völlig kontraproduktiv ist die Idee einer Öffnung der Notfallpraxen auch während der Sprechstundenzeiten. Die Etablierung einer solchen Parallelstruktur zur Regelversorgung in den Praxen würde unweigerlich Fehlanreize setzen, die wir weder benötigen noch finanzieren können. Was wir brauchen, ist ein ressourcengerechter und vollständig gegenfinanzierter Einsatz von Ärztinnen und Ärzten wie auch Medizinischen Fachangestellten, damit auch in Zukunft eine hochwertige Krankenversorgung möglich ist - in der Regelversorgung wie auch im Notdienst.

figure 2

Dr. med. Frank Bergmann

Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein