Frau K. war stämmiger, resoluter Natur, im Hauptberuf Sonderschullehrerin mit kleiner Klasse und ohne großen Leistungsdruck. Dies füllte sie natürlich nicht aus, und so machte sie den Haupt- zum Nebenberuf und verwirklichte sich an erster Stelle im Stadtrat unserer Kleinstadt. Der Stadt ging es dank Gewerbesteuern gut, und so gab es nicht zu viele Probleme - und niemand wagte Genossin K. zu widersprechen, wenn sie energisch ihre Bassstimme vernehmen ließ.

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"So, jetzt setzt du dich auf deine vier Buchstaben und passt auf!"

Als meine Patientin orderte sie im Befehlston Medikamente und ließ gelegentlich huldreich den Blutdruck messen. Hinweise auf Übergewicht und Stoffwechselstörungen waren unerwünscht und galten als "Holzhammermethode".

Es war in der Tat schwer vorstellbar, dass sie einst eine bezaubernde junge Dame gewesen war. Doch so musste es gewesen sein, denn sie war mit einem stillen, rechtschaffenen Mann verheiratet und hatte zwei Kinder. Den Ehemann traf ich oft in der Stadt, und jede Begegnung war für mich eine Bereicherung. Er war klug, die Gespräche waren immer eine Freude. Er war fleißig, nie krank, und ich hielt ihn für glücklich und zufrieden.

Eines Tages erschien Herr K. als letzter Patient des Abends in der Praxis. Ich sagte: "Nanu, was fehlt Ihnen denn?" Er nahm schweigend Platz und holte tief Luft: "Ich muss mal mit Ihnen sprechen. Meine Frau sitzt jeden Abend in Ihrem Sessel, ich nenne ihn Kreisbefehlsstand. Auf der linken Armlehne steht die Schnapsflasche, auf der rechten das Glas. Sie redet, ohne Widerspruch zu dulden, bis zur Volltrunkenheit. Ich sitze ohne ein Wort in zehn Meter Abstand. Das geht seit Jahren so."

Hier war guter Rat teuer. Ein Arzt ist gewiss auch Seelsorger, aber kein Eheberater. Mir blieb nur der Verweis auf eine Selbsthilfegruppe und das Gefühl der Hilflosigkeit. Das Bild vom Kreisbefehlsstand indes ist mir unvergesslich geblieben!