An einem Samstag fragte die Polizei an, ob ich Zeit hätte, eine Blutentnahme durchzuführen. Auf dem Revier bereute ich meine Zusage sofort, denn durch die Zellentür drang Getöse. Ein ca. 30-jähriger Mann in Handschellen lag schreiend auf dem Zellenboden und beschimpfte die Polizisten mit wüsten Kraftausdrücken. Er hatte als Fahrradfahrer unter Drogeneinfluss einen Pkw beschädigt, weshalb man nun die Blutprobe benötigte.

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Hoffentlich halten die Handschellen!

Ein Polizist sagte mir, der Festgenommene sei im Methadonprogramm. Ich fragte ihn, ob er Infektionskrankheiten habe. Er schrie, er habe Hepatitis A bis Z und außerdem AIDS im Endstadium. Fünf Polizisten hielten ihn nun fest und seinen Flüchen stand. Insbesondere eine junge Polizistin, die seine Füße fixierte, musste schlimmste sexuelle Beleidigungen ertragen.

Da er gefesselt und vom intravenösen Drogenabusus vernarbt war, war die Blutentnahme sehr schwierig. Wir mussten ihn mehrmals umlagern und sogar die Handschellen abnehmen, sodass er nur noch bedingt festgehalten werden konnte - weswegen mir schon etwas mulmig zumute war.

Als ich schließlich erfolgreich Blut abgenommen hatte, geschah das Unfassbare: Trotz übelster Beleidigungen und gewalttätigem Widerstand wurde er auf freien Fuß gesetzt! Als er dies begriff, wurde er wieder frech, schlug die Tür des Polizeireviers beim Verlassen zu und trat auch noch dagegen. Zufällig kamen ihm weitere Polizistinnen entgegen, die sich ebenfalls Beleidigungen einfingen.

Ich war sprachlos, was dieser Mensch sich herausnehmen durfte, ohne verhaftet zu werden - zumal man auch nicht wusste, was er schon so alles angerichtet hatte und noch anrichten würde. Wenigstens erhielt er eine Strafanzeige wegen Fahrens unter Drogeneinfluss mit Sachbeschädigung, Beleidigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt.