"Hypertonie ist gefährlich, Weißkittelhypertonie dagegen harmlos" - an diesem einfachen Dogma gibt es schon lange Zweifel. Nun zeigt eine Langzeitstudie, dass auch der vermeintlich auf die Situation zurückzuführende Hochdruck gefährlich ist.

1.423 Patientinnen und Patienten wurden mittels 24-Stunden-Blutdruckmessung in die Gruppen Normotonie, Weißkittelhypertonie oder dauerhafte Hypertonie eingeteilt. Zudem wurde nach dem Vorliegen kardiovaskulärer Endorganschäden geforscht. Dieses war definiert als herabgesetzte Nierenfunktion und echokardiografisch nachgewiesene linksventrikuläre Hypertonie. Der Altersschnitt lag zu Beginn in der normotonen Gruppe bei 42,4 bzw. 55,1 Jahren (ohne bzw. mit Organschäden), bei den Weißkittelhypertonikern bei 52,5 bzw. 60,7 und bei den Hypertonikern bei 58 bzw. 64,6 Jahren. Die Nachbeobachtungszeit betrug 29 Jahre.

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Nervosität im Angesicht der Ärztin.

Die kardiovaskuläre Mortalität bei Weißkittelhypertonie lag zwar nicht so hoch wie bei dauerhafter Hypertonie, aber signifikant höher als bei Normotonie. Bei den Teilnehmern ohne Organschäden ergab sich eine Hazard Ratio von 2,0 (95%-Konfidenzintervall 1,1-3,6, p = 0,02). Die Daten für die Gesamtmortalität zeigten ein ähnliches Bild.

Auch das 10-Jahres-Risiko für die Entwicklung einer dauerhaften oder maskierten Hypertonie war bei Weißkittelhypertonikern deutlich höher als bei Normotonikern. Ohne Endorganschäden lag es 2,4-mal und mit Endorganschäden 3,5-mal höher.

Quelle: Mancia G, Facchetti R, Vanoli J et al. White-coat hypertension without organ damage: impact on long-term mortality, new hypertension, and new organ damage. Hypertension. 2022;79:1057-66

MMW-Kommentar

Die Untersuchung unterstreicht erneut, dass die Weißkittelhypertonie keineswegs als harmlos oder klinisch unbedeutend einzuschätzen ist. Der mögliche Übergang in eine dauerhafte Hypertonie ist wohl einer der Gründe für die schlechtere Prognose. Eine Weißkittelhypertonie erfordert also eine sorgfältige langfristige Überwachung, um kardiovaskuläre Folgeschäden zu vermeiden.

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Prof. Dr. med. W. Zidek

Endokrinologie und Nephrologie, Meoclinic, Berlin