Bei gering eingeschränkter Nierenfunktion ohne Albuminurie sollte man sich nicht auf die Kreatinin-basierte eGFR verlassen: Um Personen mit hohem und niedrigem kardiovaskulärem Risiko zu differenzieren, ist Cystatin C der bessere eGFR-Marker.

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An Hand der eGFR-Cys lassen sich Patientinnen und Patienten mit niedrigem und hohem CVD-Risiko besser identifizieren als über die eGFR-Krea.

In der Leitlinie "Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO)" wird schon lange empfohlen, zur Bestätigung einer chronischen Nierenerkrankung die eGFR auch anhand von Cystatin C (eGFR-Cys) zu bestimmen, sofern die Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) allein auf dem Serumkreatinin beruht (eGFR-Krea) und andere Marker für einen Nierenschaden fehlen. Die Serumkonzentration von Cystatin C wird durch Entzündungen oder konsumierende Erkrankungen nur wenig beeinflusst und hängt überwiegend von der glomerulären Filtrationsleistung ab.

Wie wichtig die KDIGO-Empfehlung ist, verdeutlicht eine prospektive bevölkerungsbasierte Studie aus Großbritannien. Sie zeigte, dass mit einer eGFR-Krea < 60 ml/min/1,73 m2 ein beträchtlicher Anteil an Menschen mit hohem kardiovaskulärem Risiko nicht erfasst wird.

Diese Risikogruppe scheint durch eine eGFR-Cys < 60 ml/min/1,73 m2 mit höherer Sensitivität und Spezifität entdeckt zu werden. Das Zehn-Jahres-Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung (CVD) bzw. für Tod jedweder Ursache war bei älteren Personen mit einer G3a-Nierenerkrankung gemäß eGFR-Cys oder gemäß eGFR-Cys und eGFR-Krea fast doppelt so hoch wie bei Gleichaltrigen, bei denen keiner der beiden Marker auf eine beeinträchtigte Nierenfunktion hinwies. Bei jüngeren Menschen war das Risiko sogar mehr als verdoppelt. Im Gegensatz dazu hatten Teilnehmer, bei denen nur die eGFR-Krea eine Niereninsuffizienz im Stadium G3a auswies, in keiner Altersgruppe ein erhöhtes CVD- oder Mortalitätsrisiko.

Die Autoren ziehen folgende Schlüsse:

  1. 1.

    Mit der eGFR-Cys wird v. a. im Alter ein größerer Anteil von Menschen mit einer geringgradigen Nierenfunktionsstörung (G3a) identifiziert.

  2. 2.

    Bei Personen ohne signifikante Albuminurie wird eine Hochrisiko-Nierenerkrankung mit der eGFR-Cys sensitiver und spezifischer erkannt als mit der eGFR-Krea.

  3. 3.

    Die Differenzierung von Patienten mit niedrigem und hohem Risiko für CVD und Tod gelingt besser mit der eGFR-Cys als mit der eGFR-Krea.

Quelle: Lees JS et al. JAMA Netw Open 2022; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2022.38300