Das Bundesverfassungsgericht hat vor zwei Jahren festgestellt, dass Menschen ein Recht auf Hilfe zum Suizid haben. Im Bundestag droht nun aber die Rolle rückwärts: Legale Sterbehilfe soll so kompliziert wie möglich gemacht werden.

Die Sache schien eigentlich klar. Ab 2015 hatte der § 217 StGB die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe gestellt. Am 26. Februar 2020 kassierten die Verfassungsrichter die Bestimmung, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht sterbewilliger Personen verletzte. Leider scheinen Fachverbände diese Rechtslage bis heute zu ignorieren. Sie empfehlen etwa, sich mit Sterbewünschen ernsthaft auseinanderzusetzen, um sie den Patienten dann am Ende auszureden. Ein Hospizverband möchte Hospizpatienten sogar gänzlich von ihrem Verfassungsrecht abschneiden: Sie mögen ihr Leid ertragen - oder das Hospiz verlassen.

Das gipfelt nun in entsprechend beratener Politik, den verfassungswidrigen § 217 StGB wiederzubeleben. Führend ist ein Entwurf von Lars Castellucci (SPD), dessen medizinische Qualifikation sich in einem Psychiatrie-Zivildienst erschöpft. Demnach könnte ein Suizidhelfer der Haftstrafe entgehen, aber nur, wenn im Abstand von drei Monaten zwei psychiatrische Gutachten erfolgt wären und anschließend noch ein interdisziplinäres "Tribunal" beriete, wie der Suizid zu verhindern sein könnte.

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Sie hat ein Recht auf Hilfe zum freiverantwortlichen Suizid.

Mit diesen Hürden aber würde der aktuelle Zustand konserviert. Brutalsuizide - Erhängen in mehr als der Hälfte der Fälle, Brückensturz, Schienensuizid, Schuss- und Stichverletzung - blieben in der Todesursachenstatistik führend. Gutbetuchte Bürger begäben sich weiterhin für 15.000 Euro in die Schweiz. Fortbestehen könnten auch windige Sterbehilfeanbieter, die für 3.000-9.000 Euro illegal beschaffte Medikamentencocktails, teils aber auch Ersticken in Plastiktüten oder Erdrosseln mit Kabelbindern empfehlen. Dazu gibt es Tipps, wie man alles vertuscht durch die Bescheinigung eines natürlichen Todes.

Orales Pentobarbital als einzige Substanz?

So wird jegliche gesetzliche Lösung ad absurdum geführt. Empfehlungen von Chinidin, Digitoxin, Betablockern, selbst von illegal aus China importiertem Pentobarbital führen in nicht wenigen Fällen durch Magenreizung zum Erbrechen vor Intoxikation. So erleidet jeder Zehnte eine Komplikation, der Sterbevorgang dauert bis zu sieben Tage. 4% erwachen wieder: "Du erwartest Petrus, es ist aber die Assistenzärztin auf der Überwachungsstation."

Alle Gesetzentwürfe sehen in einer Zulassung von Pentobarbital als orale Selbsttötungssubstanz die einzige praktikable Lösung. In der Tiermedizin hält man solche Methoden für unethisch und empfiehlt in Leitlinien ausschließlich intravenös überdosierte Barbiturate "für alle Säugetiere". Hier sollten wir unsere Fachkompetenz einbringen. Wir sollten schwerkranke Menschen begleiten und behandeln, nur wir können Freiverantwortlichkeit feststellen, Alternativen aufzeigen, kennen die Toxikologie.

Menschen mit einem Recht, sich selbst zu töten, haben auch ein Recht auf leidarme Methoden mit bester Evidenz. Neben tausenden Artikeln gegen Suizidhilfe gibt es nur eine interdisziplinäre Handreichung zur Suizidhilfe [Thöns M et al. Schmerzmedizin. 2021;37(4):12-5].

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Dr. med. Matthias Thöns

Palliativmediziner aus Witten