Etwa drei Viertel aller jungen Männer mit ausgeprägter Adipositas haben subnormale Testosteronwerte. Eine bariatrische Operation hilft dem Hormon auf die Sprünge: Die Serumkonzentration verdoppelt sich innerhalb von zwei Jahren.

Für eine prospektive Multicenter-Beobachtungsstudie wurden 34 junge Männer im mittleren Alter von 17,4 Jahren vor und nach einer bariatrischen Chirurgie untersucht. Präoperativ sowie nach 6, 12, 24, 36, 48 und 60 Monaten wurden die gonadotropen Hormone und weitere Blutwerte gemessen. Der mittlere BMI lag präoperativ bei 53,1 ± 10,6 kg/m2.

Der maximale Gewichtsverlust war nach zwölf Monaten zu verzeichnen, gefolgt von einem geringen Wiederanstieg. Nach fünf Jahren lag die mittlere BMI-Reduktion bei 28,7%. Präoperativ hatten 79,4% der Teilnehmer subnormale Werte für Gesamttestosteron (< 9,2 nmol/l) und 72,7% für freies Testosteron (< 0,23 nmol/l). 71,4% der niedrigen Gesamttestosteronwerte und 54,6% der subnormalen freien Testosteronwerte normalisierten sich innerhalb von fünf Jahren. Mit erneuter Gewichtszunahme sank der Spiegel des freien Testosterons wieder.

Die Werte für luteinisierendes Hormon (LH) und follikelstimulierendes Hormon (FSH) lagen bei nahezu allen Teilnehmern basal im Normbereich und stiegen nach der Operation leicht an. Die Konzentration für Gesamtöstradiol änderte sich innerhalb der fünf Jahre nicht. Allerdings gab es eine positive Korrelation für BMI und Testosteronwerte mit der Gesamtöstradiol-Konzentration (p < 0,001).

Quelle: Dhindsa S, Ghanim H, Jenkins T et al. High prevalence of subnormal testosterone in obese adolescent males: reversal with bariatric surgery. Eur J Endocrinol. 2022;186:319-27

MMW-Kommentar

Die Studie belegt die hohe Prävalenz eines funktionellen, also reversiblen, Hypogonadismus bei jugendlichen Männern mit Adipositas. Sie bestätigt aber auch, dass bei den metabolischen und hormonellen Veränderungen nach bariatrischer Chirurgie noch viel unklar ist. Die allgemeine Vorstellung, dass durch eine vermehrte Aromataseaktivität im viszeralen Fettgewebe die Östradiol-Konzentration zunimmt und dadurch die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse supprimiert wird, trifft bei Männern mit Adipositas nicht zu. Die Gewichtsabnahme durch Operationen hatte hier keinen Einfluss auf die Östradiol-Konzentration.

Für die Praxis unterstreicht diese Studie, dass Adipositas bereits bei Jugendlichen als ernsthafte Krankheit einzuschätzen ist. Wichtig ist eine gewichtszentrische Therapie, anstatt primär die Folgen der Adipositas zu behandeln.

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Dr. med. C. Jaursch-Hancke

Endokrinologie und Diabetologie, DKD Helios Klinik Wiesbaden