"Der Patient ist im Deutschen männlich, und so wird ER behandelt. Die Leitlinien sind im Prinzip eher am männlichen Patienten orientiert", sagt Prof. Sandra Eifert, Herzzentrum Leipzig. Leider hat sie Recht!
Geschlechtsspezifische Unterschiede werden in der Medizin immer noch vernachlässigt. Dies gilt nicht nur für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als inzwischen meistgenanntes Negativbeispiel. Ob bei Krebs oder Diabetes, bei COPD oder Alzheimer - Geschlecht und Gender werden in Forschung, Klinik und Praxis kaum berücksichtigt.
Dies bestätigt aufs Neue eine aktuelle Analyse der im Jahr 2020 durchgeführten Studien zur Coronaforschung. Von den insgesamt 4.420 Untersuchungen fokussierten 935 (21,2%) einzig und allein bei der Rekrutierung der Testpersonen auf das Geschlecht, nur 237 (5,4%) planten eine geschlechtsspezifische Auswertung der Ergebnisse, bei lediglich 124 (2,8%) waren die Probanden jeweils nur Frauen oder nur Männer. 100 dieser Studien untersuchten, wie sich das Virus oder eine Therapie auf Frauen - und hier v. a. auf Schwangere - auswirkt, die restlichen 24 beleuchteten die Effekte auf Männer.
Tatsächlich zeigt eine COVID-19-Infektion bei Männern und Frauen oft verschiedene Krankheitsverläufe, die Hospitalisierungs- und Mortalitätsraten divergieren. Warum? Eben dies müsste genauer erforscht werden! Frauen und Männer müssen ganz offensichtlich medizinisch verschieden behandelt werden.
Dem Thema Gendermedizin widmet sich ab dieser Ausgabe die neue MMW-Serie "Mann - Frau - Divers" (ab S. 12).
Quelle: Brady E et al. Nature Communications 2022; doi: 10.1038/s41467-021-24265-8