Der Ausverkauf von Deutschlands Arztpraxen an große Konzerne und Renditejäger ist bereits weiter fortgeschritten als viele ahnen. Es ist höchste Zeit, dass die Politik einschreitet. Mehrere Maßnahmen bieten sich an.

Hunderte Arztpraxen in Deutschland wurden in den letzten Jahren von Investoren aufgekauft - Tendenz: steigend. Betroffen sind neben Zahnarztpraxen inzwischen auch andere Fachgruppen, wie Augenärzte, Radiologen, Nephrologen, Gynäkologen und sogar Internisten und Hausärzte.

Dieser Trend ist aus Ärztesicht problematisch. Denn es gibt es deutliche Hinweise, dass Praxis- und MVZ-Ketten nicht nur auf effizientere Abläufe und Skaleneffekte setzen, um ihren Gewinn zu steigern. Sie fokussieren sich auch auf hoch spezialisierte Leistungen, die betriebswirtschaftlich attraktiv sind. Darunter leidet die Grundversorgung. Patienten haben immer weniger Wahlfreiheit und erfahren oft gar nicht, dass z. B. statt einer ambulanten Operation auch eine konservative Therapie möglich wäre.

In einzelnen Städten haben große Ketten mit vielen Arztpraxen mittlerweile eine beherrschende Marktmacht aufgebaut. Für angestellte Ärzte wird es so immer schwerer, den Arbeitgeber zu wechseln. Auch die Niederlassung ist dann keine Option mehr. Die großen Player treiben die Preise für freiwerdende Arztsitze und Praxen in die Höhe. Der Fehler liegt nicht bei den Praxisabgebern, die ihr Lebenswerk legitimerweise an den Bestbietenden verkaufen möchten. Der Fehler liegt in den politischen Rahmenbedingungen.

figure 1

© gremlin / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Denken Finanzinvestoren noch primär an die Grundversorgung?

Das Problem und seine Ursachen, u. a. verfehlte Anreize und unzureichende Steuerung, sind seit Langem bekannt. Der Virchowbund hat bereits vor Jahren einen Katalog an möglichen Gegenmaßnahmen auf den Tisch gelegt. Die Politik müsste diesen nur aufgreifen und sowohl Patienten als auch inhabergeführte Arztpraxen endlich besser schützen.

Gemeinnützigkeit und Transparenz-Register

Eine Option ist, MVZ-Neugründungen und Praxisketten nur noch als gGmbH zu erlauben und sie so auf Gemeinnützigkeit zu verpflichten. Sie dürfen dann keine hohen Renditen mehr an Anleger ausbezahlen. Damit wird auch sichergestellt, dass Gewinne nicht das Hauptziel des Unternehmens sind, sondern ein Nebeneffekt in angemessenem Verhältnis. Statt sie abzuschöpfen, sollten sie reinvestiert werden. Um Spekulation durch schnelle Wiederverkäufe vorzubeugen, könnte die Zulassung entzogen werden, wenn innerhalb von fünf Jahren die Mehrheit der Gesellschaftsanteile veräußert wird oder die wirtschaftlich Berechtigten wechseln.

Die Inhaberstrukturen dieser Praxisketten sind oft bewusst verschachtelt. Deshalb ist ein Transparenz-Register nötig. Es soll die Gesellschaftsform, die Gesellschafter und ihre Anteile und ggf. auch die Träger dieser Gesellschafter öffentlich machen. Diese Informationen müssen auch den Patienten niedrigschwellig zur Verfügung stehen, z. B. auf dem Praxisschild. Dort soll der "wirtschaftlich Berechtigte" sichtbar sein - und bei verschachtelten Strukturen auch derjenige, der den Gewinn einstreicht.

Fremdkapital im Gesundheitswesen ist nicht per se schlecht. Unter den richtigen Bedingungen profitieren davon Patienten und Ärzte gleichermaßen. Von "richtig" sind die aktuellen Umstände aber noch deutlich entfernt.

figure 2

Dr. med. Dirk Heinrich

Bundesvorsitzender des Virchowbundes