Was eigentlich ist Psychoonkologie? Wie kann sie Krebspatienten konkret helfen? Und gibt es auch Krebs-präventive Potenziale? Zu diesen Themen befragte die MMW Prof. Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf, Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Universität Leipzig.

"Alle Krebspatienten sollten über psychoonkologische Angebote informiert und auf psychosoziale Belastungen gescreent werden."

MMW: Gibt es ausreichend psychoonkologische Angebote?

Mehnert-Theuerkauf: Es hat sich zumindest einiges verbessert. Ein Meilenstein ist die bundesweite Einrichtung von regelfinanzierten Krebsberatungsstellen, die Patienten schon bei einer Verdachtsdiagnose in Anspruch nehmen können. Zudem ist in den Leitlinien verankert, dass Krebspatienten über psychoonkologische Versorgungsangebote informiert und auf psychosoziale Belastungen hin gescreent werden sollten. Das passiert auch vielfach. Aber es muss einfacher werden, die Angebote in Anspruch zu nehmen.

MMW: Wo sehen Sie Verbesserungspotenziale?

Mehnert-Theuerkauf: In ländlichen Re-gionen und im niedergelassenen Sektor müssten Verbindungen zu Krebsberatungsstellen oder Psychotherapeuten stärker ausgebaut werden, sodass Patienten möglichst einfach zugewiesen werden können.

MMW: Wie kann die Psychoonkologie zur Vision Zero in der Onkologie beitragen und die Krebsinzidenz reduzieren?

Mehnert-Theuerkauf: In unserer Gesellschaft entwickeln Menschen mit zunehmendem Alter Erkrankungen, die viel mit dem Lebensstil zu tun haben. Das gilt auch für Krebs. Die Frage ist daher: Wie bringen wir Menschen dazu, einen gesunden Lebensstil zu pflegen, oder ungünstiges Verhalten wenigstens durch ein günstiges Verhalten zu kompensieren. Die Psychoonkologie kann hier Verhaltensstrategien aufzeigen und die Motivation stärken, diese Strategien umzusetzen. Durch Prävention und Früherkennung würden viele Krebserkrankungen gar nicht erst entstehen.

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Prof. Dr. Anja Mehnert-Theuerkauf

Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Sozio- logie, Universitätsmedizin Leipzig und Vorstandsmitglied der Deutschen Krebsgesellschaft