Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag aufgetragen, einen gesetzlichen Rahmen für den assistierten Suizid zu beschließen. Eine interfraktionelle Gruppe von Abgeordneten hat nun einen neuen Entwurf vorgelegt.

"Der Diskurs der Würde des Menschen beginnt und endet nicht im Ideenhimmel der Philosophen, sondern in der gesellschaftlichen Praxis" - so hat es der Sozialpsychiater Franco Basaglia einst gesagt. Dies gilt insbesondere für die Begleitung von Menschen in Krisensituationen sowie am Lebensende. Dabei wird die Rolle von Hausärzt*innen in einer alternden Gesellschaft und bei zunehmender Einsamkeit immer entscheidender. Suizidgedanken sind oft ein Wunsch nach einer Pause von einer unerträglichen Lebenssituation. Mit Zuwendung und Akzeptanz können Ärzt*innen Betroffenen dabei helfen, sie zu überwinden.

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Würde ihr Zuwendung schon helfen?

Von diesem Anspruch sind auch der Gesetzentwurf zur Suizidassistenz und ein begleitender Antrag zur Suizidprävention geleitet, die ich gemeinsam mit Kolleg*innen aller demokratischer Fraktionen vorgestellt habe. Es besteht Handlungsbedarf, da die Regelungslücke beim assistierten Suizid die Selbstbestimmung gefährdet. Häufige Ursache suizidaler Impulse sind innere oder äußere Drucksituationen, etwa seelische Krisen wie Depressionen, aber auch Einsamkeit, Angst vor Schmerzen, Armut, mangelnde Pflege oder die Sorge, anderen zur Last zu fallen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass das Strafrecht grundsätzlich geeignet sei, um besonders gefahrträchtige Formen der Suizidhilfe zu verbieten und um einer Entwicklung entgegenzusteuern, welche soziale Pressionen befördert, sich z. B. aus Nützlichkeitserwägungen das Leben zu nehmen. Der Normalisierung der Suizidassistenz sei vorzubeugen.

Die beiden bereits in der letzten Wahlperiode vorgestellten Gesetzentwürfe etablieren keine ausreichenden Schutzmechanismen. Beide konzentrieren sich auf den Zugang zu Natrium-Pentobarbital - und schließen Minderjährige nicht eindeutig aus.

Geschäftsmäßige Suizidassistenz möglich

Unser Vorschlag einer strafrechtlichen Regelung respektiert das Verfassungsurteil und etabliert ein umfassendes Schutzkonzept, um die Selbstbestimmung zu sichern. Der Zugang zum assistierten Suizid wird ermöglicht, aber nicht gefördert. Das Schutzkonzept, unter dessen Einhaltung das geschäftsmäßige Angebot der Suizidassistenz möglich ist, umfasst Wartefristen, ein Mehraugenprinzip, psychiatrische Untersuchungen, fallspezifische Beratung, ein Werbeverbot sowie den Ausschluss der Anwendung bei Minderjährigen.

Gleichzeitig soll die Suizidprävention gestärkt werden. Die Beratung zum assistierten Suizid darf nicht besser erreichbar sein als Hilfen zur Überwindung von Krisen. Ein bundeseinheitlicher Suizidpräventionsdienst, der telefonisch und online rund um die Uhr erreichbar ist, kann dazu beitragen, akute Notsituationen professionell abzufedern.

Denn den meisten Menschen mit Suizidgedanken kann geholfen werden. Es geht darum, Menschen zur Selbstbestimmung zu befähigen, statt dieser mit dem Suizid ein Ende zu bereiten. Niemand darf das Signal bekommen, er sei überflüssig und werde nicht gebraucht.

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Dr. med. Kirsten Kappert-Gonther

Mitglied des Bundestags, Bündnis 90/ Die Grünen