Ärzte sollten Patienten ausreichend Raum geben, ihre Beschwerden zu schildern. Dieses "induktive Streifen" kann den Diagnoseprozess sogar verkürzen, wie eine Studie aus Marburg nahelegt.

Wenn Ärzte der freien Schilderung der Patienten lauschen und dabei vom Besonderen auf das Allgemeine schließen, also von den berichteten Symptomen auf die zugrunde liegende Krankheit, wird dies als induktives Streifen ("inductive foraging", IF) bezeichnet. In einer Studie haben Marburger Forscher um Dr. Matthias Michiels-Corsten 134 Konsultationen von zwölf erfahrenen Hausärzten ausgewertet und dabei festgestellt, dass im Praxisalltag fast ein Drittel aller diagnoserelevanten Hinweise in dieser Phase gewonnen wird.

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Ein induktiver diagnostischer Streifzug.

Dabei stand der induktive Streifzug in 91% der Fälle am Beginn des Gesprächs und dauerte median 34 Sekunden. Das Minimum lag bei nur sechs Sekunden, das Maximum bei drei Minuten. Meistens wurde die Phase durch eine offene Frage eingeleitet ("Was kann ich für Sie tun?"; "Was bringt Sie her?"). Beendet wurde das IF überwiegend (zu 57%) von den Ärzten, meistens indem sie mit direktiven Fragen unterbrachen.

Beim induktiven Streifen erhielten die Ärzte zwischen einem und zehn diagnostische Hinweise, im Durchschnitt waren es 4,5 - und damit laut den Forschern "viel mehr als mit anderen mehr arztzentrierten Vorgehensweisen". Sie empfehlen Ärzten und Ärztinnen, das aktive Zuhören zu trainieren. "Wir vermuten, dass eine vollständige IF-Phase im Vergleich zu einem frühen Unterbrechen des Patienten die diagnostische Ausbeute erhöht." Indem man das IF verbessere, könne man wahrscheinlich die Effizienz der Konsultationen verbessern.