Eine der häufigsten Nebenwirkungen der antihypertensiven Therapie ist die orthostatische Hypotonie. In einer aktuellen Studie wurde deren Assoziation mit kognitiven Einschränkungen, Demenz und der Progression einer Demenz bei älteren Patienten untersucht.

In der Kohortenstudie wurden 2.532 Teilnehmer ohne Demenz im Alter ≥ 60 Jahren, davon 62,6% Frauen, über einen mittleren Zeitraum von 8,5 Jahren beobachtet. Die Teilnehmer konnten in zwei Gruppen aufgeteilt werden: Die einen hatten zu Beginn eine kognitive Einschränkung, die anderen zeigten keine entsprechenden Symptome. Die orthostatische Hypotonie war definiert als ein Blutdruckabfall um ≥ 20/10 mmHg systolisch/diastolisch in Folge des Aufstehens. Der Diagnose einer Demenz oder eines Morbus Alzheimer wurden die international gültigen Kriterien zugrunde gelegt, eine kognitive Einschränkung war als eine Abweichung von ≥ 1,5 Standardabweichungen unterhalb der altersentsprechenden Leistung in mindestens einer kognitiven Funktion definiert.

615 Teilnehmer hatten zu Beginn eine orthostatische Hypotonie. 322 entwickelten während des Beobachtungszeitraums eine Demenz. Es zeigte sich eine signifikante Assoziation der orthostatischen Hypotonie mit der Demenzentwicklung (Hazard Ratio 1,40; 95%-Konfidenzintervall 1,10-1,76). Ebenfalls signifikant war der Zusammenhang mit einer Weiterentwicklung einer vorbestehenden kognitiven Einschränkung hin zur Demenz (1,54; 1,05-2,25). Diese Assoziation war bei einer schweren orthostatischen Hypotonie stärker ausgeprägt als bei einer leichten.

Quelle: Xia X, Wang R, Vetrano DL et al. From normal cognition to cognitive impairment and dementia. Impact of orthostatic hypotension. Hypertension. 2021;78:769-78

MMW-Kommentar

Die Studie könnte darauf hindeuten, dass eine orthostatische Hypotonie bei älteren Hypertoniepatienten die Demenzentwicklung fördert. Denkbar ist, dass eine orthostatische Hypotonie die zerebrale Durchblutung herabsetzt und so im Langzeitverlauf eine Hirnschädigung bewirkt. Eine Assoziation bedeutet aber keine Kausalität. Denkbar wäre auch, dass umgekehrt die beginnende zerebrale Erkrankung mit einer vegetativen Regulationsstörung einhergeht, u. a. einer orthostatischen Hypotonie. Trotz der offenen Kausalitätsfrage sollten wir die orthostatische Hypotonie bei Senioren als potenziellen zerebralen Schädigungsfaktor im Auge behalten.

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Prof. Dr. med. W. Zidek

Endokrinologie und Nephrologie, Meoclinic, Berlin