Die Corona-Pandemie macht auch vor Knastmauern nicht halt. Dr. Peter Kastner von der Volksanwaltschaft Wien schildert, mit welchen teils drastischen Mitteln in Österreich versucht wird, der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus hinter Gittern Einhalt zu gebieten.

Während Österreichs Justizanstalten im Jahr 2020 von der Corona-Pandemie noch weitgehend verschont geblieben waren, wurden im zweiten Pandemiejahr einige größere Häuser von Clustern heimgesucht. Um zu verhindern, dass sich das Virus unter den Gefangenen verbreitet, wurde, wie auch in Deutschland, eine Reihe von Präventions- und Hygienemaßnahmen eingeführt. Diese entbehrten jedoch oft genug der expliziten gesetzlichen Grund- lage, wie der Jurist Dr. Peter Kastner von der Wiener Volksanwaltschaft betonte.

So mussten Neuzugänge in der Regel zunächst 10 bis 14 Tage in ihren Hafträumen bleiben, und zwar meist in Einzelhaft, bis sie erstmals auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Bei positivem Testergebnis verlängerte sich diese Frist um weitere 14 Tage. Das bedeutete in manchen Fällen bis zu vier Wochen Isolation, und das, so Kastner, "in einer Phase, die für viele Gefangene besonders belastend ist". Gerade in den ersten Tagen unter Freiheitsentzug sei die Gefahr besonders groß, dass "aufkommende Schuldgefühle oder die Ausweglosigkeit der Situation (…) zu Kurzschlusshandlungen verleiten".

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© FRAN VILA, Stock Adobe (Symbolbild mit Fotomodell)

In der Folge der Corona-Pandemie durften viele Häftlinge nicht mehr, wie sonst üblich, nach draußen unter freien Himmel.

"Massive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit"

Für den Juristen ist es naheliegend, dass die verhängten Maßnahmen "massive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Insassen" hatten. Monatelang habe es kaum Gruppentherapien gegeben, das habe auch für Sucht- und Anti-Gewalt-Gruppen gegolten. Der psychologische Dienst habe nur Kriseninterventionen anbieten können. Die Anspannung in den Gefängnissen sei in dieser Zeit spürbar gewachsen, insbesondere als bereits in Aussicht gestellte Lockerungen wieder zurückgenommen wurden.

Nach Kastner litten die Gefangenen vor allem darunter, dass es ihnen kaum ermöglicht wurde, Freizeit im Freien zu verbringen. "Sportliche Betätigungen mussten eingestellt werden, Turnsäle wurden gesperrt. Während der Isolation durften Gefangene nur entweder allein oder mit Insassen derselben Zelle in den Hof, zum Teil mit der Auflage, Handschuhe zu tragen."

Suizidgefährdete Insassen auf sich gestellt

Sich "in Momenten der Verzweiflung" an einen Zellengenossen wenden zu können, kann nach Kastner Leben retten. Seit Februar 2020 sei jedoch die gemeinsame Unterbringung mit erfahrenen Insassen nicht mehr erlaubt. "Psychisch labile und suizidgefährdete Insassen bleiben damit auf sich gestellt." Zum Schutz vor Selbstgefährdung habe man in den Hafträumen Überwachungskameras installiert. Diese erfüllten ihren Zweck jedoch in vielen Fällen nicht. Allein in diesem Jahr, berichtet Volksanwalt Kastner, wurden in landesgerichtlichen Gefangenenhäusern 31 Vorfälle (Suizide oder Suizidversuche) gemeldet, hinzu kamen acht Vorfälle in sogenannten Strafhäusern sowie zwei Todesfälle in psychi- atrischen Kliniken, in denen forensische Patienten untergebracht waren. Insgesamt habe sich die Zahl der Suizide und Suizidversuche in österreichischen Haftanstalten im Vergleich zum Jahr 2019 verdreifacht, so Kastners traurige Bilanz.

Quelle: Vortrag von P. Kastner, 6. Gefängnismedizin-Tage, 2.-3. 12. 2021, Frankfurt/online