Die langfristige Gabe einer Polypille mit einem Statin, mehreren Antihypertensiva und ASS kann bei herzgesunden Personen zukünftige kardiovaskuläre Erkrankungen verhindern. Aber wer würde sie schon jahrelang einnehmen?

In einer doppelblinden, randomisierten Studie erhielten 5.713 herzgesunde Personen mit mittlerem kardiovaskulärem Risiko täglich zwei Tabletten. Bei ca. einem Viertel der Teilnehmer handelte es sich um eine Polypille (40 mg Simvastatin, 100 mg Atenolol, 25 mg Hydrochlorothiazid, 10 mg Ramipril) und um 75 mg ASS. In zwei anderen Gruppen wurde je ein Präparat durch Placebo ersetzt, in der letzten beide. Der Endpunkt enthielt kardiovaskuläre Todesfälle und Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Reanimation nach Herzstillstand, Herzinsuffizienz und koronare Revaskularisierung.

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Es dürfte schwierig werden, gesunden Menschen die Einnahme der Tablette zu "verkaufen".

Nach 4,6 Jahren ergab eine zweifaktorielle Varianzanalyse für alle drei Regime eine deutliche Reduktion des Endpunkts um 14% (ASS), 21% (Polypille) bzw. 31% (beide) gegenüber Placebo. Mit wenigen Ausnahmen wurden auch die einzelnen Komplikationen reduziert. Allerdings waren die üblichen Signifikanzgrenzen aufgrund des Studiendesigns nicht anwendbar. In den Verumgruppen sanken auch der LDL-Cholesterin-Spiegel um 19 mg/dl und der systolische Blutdruck um 5,8 mmHg. Die bekannten Nebenwirkungen der Medikamente hielten sich ebenso in engen Grenzen wie die Therapieabbrüche wegen Unverträglichkeit (Verum: 5,4%, Placebo: 3,9%). Allerdings beendeten 40% der Patienten die Therapie vorzeitig - teils als Folge von COVID-19-Beschränkungen.

Quelle: Yusuf S et al. Polypill with or without aspirin in persons without cardiovascular disease. N Engl J Med. 2021;384:216-28

MMW-Kommentar

Das Konzept der Polypille beruht auf der plausiblen Annahme, dass die Senkung vieler Risikofaktoren unabhängig von ihrer Ausprägung auch bei noch Herzgesunden die Häufigkeit der Folgeerkrankungen reduziert. Die vorliegende Studie bestätigt dieses Konzept zweifellos - doch zu welchen Bedingungen? 1.000 Personen müssten 4,6 Jahre lang mit der Polypille (in teils hohen Dosierungen) und ASS behandelt werden, damit 17 schwere kardiale Komplikationen verhindert werden. Wie soll ich jemandem, der beschwerdefrei zur Vorsorge in die Praxis kommt und keinen krankhaften Befund hat, erklären, dass er fortan täglich fünf Medikamente einnehmen soll?

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Prof. Dr. med. H. Holzgreve

Internist, München