In der Depressionstherapie sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wichtig, allerdings erhöhen sie auch die Blutungsneigung. Eine Studie beleuchtete nun die komplexe Situation des Einsatzes nach einer intrazerebralen Blutung.

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Depressive Symptome sind nach einer intrazerebralen Blutung nicht selten.

In der US-amerikanischen Studie wurden 1.279 Patienten untersucht, die zwischen 2006 und 2017 wegen einer primären intrazerebralen Blutung behandelt wurden. Der Altersschnitt lag bei 71 Jahren, der Frauenanteil bei 47%. Alle wiesen bei der Entlassung eine schwere funktionelle Behinderung auf. Nach drei und sechs Monaten und dann alle sechs Monate wurden die Teilnehmer telefonisch kontaktiert, im Median 53 Monate lang. Während dieses Zeitraums wurde bei 60% der Patienten eine depressive Störung diagnostiziert.

281 Patienten, die SSRI erhielten, wurden paarweise mit 281 ohne diese Medikation verglichen. Es zeigte sich eine dosisabhängige Beziehung zwischen SSRI und Rezidiven einer intrazerebralen Blutung (Hazard Ratio 1,31; 95%-Konfidenzintervall 1,08-3,59; p = 0,006). Unter höherer SSRI-Dosierung traten mehr Blutungsrezidive auf (1,61; 1,15-2,25) , allerdings wurde auch signifikant häufiger eine Remission der Depression beobachtet (1,55; 1,07-2,24).

Das Rezidivrisiko hing darüber hinaus von bekannte Risikofaktoren wie Genetik, Epidemiologie oder Lokalisation der intrazerebralen Blutung ab. Bei immerhin 55% der Patienten mit einer depressiven Störung konnte innerhalb von ca. zwei Jahren eine Remission der Symptome beobachtet werden.

Quelle: Kubiszewski P, Sugita L, Kourkoulis C et al. Association of selective serotonin reuptake inhibitor use after intracerebral hemorrhage with hemorrhage recurrence and depression severity. JAMA Neurol. 2021;78:61-7

MMW-Kommentar

Natürlich sollten bei einer affektiven Störung nach einer intrazerebralen Blutung alle Therapieoptionen ausgeschöpft werden. Der Einsatz von SSRI, v. a. im Hochdosisbereich, sollte jedoch gerade bei Risikopatienten mit antithrombotischer Medikation kritisch geprüft und nur zeitlich limitiert unter guter Überwachung erfolgen. Die in der Studie postulierte Wirksamkeit der SSRI muss angesichts des Designs (telefonische Beobachtung) sowie der funktionellen Beeinträchtigung der Kohorte kritisch hinterfragt werden. Hier kann nur eine randomisierte, placebokontrollierte Studie Auskunft geben.

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Dr. med. F. Stachulski

Abteilung Neurologie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin