Die Zusammenhänge zwischen Herz und Psyche sind bisher kaum erforscht. Doch im Praxisalltag spielen sie eine große Rolle und beeinflussen die Prognose. Deshalb sollte insbesondere bei KHK-Patienten und solchen mit Herzinsuffizienz (HI) gezielt nach psychischen Erkrankungen gefahndet werden.

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"Neben den klassischen Risikofaktoren spielen auch psychosoziale und psychische Störungen bei der Manifestation und dem Verlauf von kardiovaskulären Erkrankungen eine wichtige Rolle", erläuterte Prof.Christiane E. Angermann, Würzburg, auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

10% aller Herzpatienten leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

Im Rahmen der INTERHEART-Studie konnte gezeigt werden, dass psychosoziale Einflüsse sogar einen der wichtigsten Risikofaktoren darstellen. Dazu gehören Depression, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und beruflicher oder privater Stress, aber auch Verhaltensstörungen. Ein klassisches Beispiel für den Zusammenhang zwischen Herz und Psyche ist die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie, bei der das autonome Nervensystem mit einer hohen Katecholaminausschüttung die zentrale Rolle spielt.

Quelle: 87. Jahrestagung der DGK, 8.4.2021

Training und Zuwendung

In Studien konnte zweifelsfrei gezeigt werden, dass eine Depression das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis erhöht. Bei HI-Patienten verschlechtert eine Depression die Prognose quo ad vitam. Die Zusammenhänge sind zwar noch nicht vollständig erforscht, "doch eine Depression vermindert die Cortisol-Verfügbarkeit", so Angermann. Je stärker die Depressivität bei einem KHK-Patienten ist, desto niedriger ist der basale Cortisolspiegel und umso stärker ist die "low grade inflammation".

Um der Depression auf die Spur zu kommen, sollte der Arzt dem Patienten zwei Screeningfragen stellen: Fühlen Sie sich in letzter Zeit oft niedergeschlagen, hoffnungslos oder traurig? Haben Sie in letzter Zeit das Interesse an Dingen verloren, die Sie sonst gerne gemacht haben? Diese einfache Depressionsdiagnostik zeigt zwar eine hohe Sensitivität, aber eine niedrige Spezifität. Bei Verdacht ist deshalb ein genaueres Abfragen von Symptomen (gedrückte Stimmung, Antriebsmangel, verminderte Konzentration, geringes Selbstwertgefühl, Schlafstörungen etc.) erforderlich. "Das Problem allerdings ist, das bisher keine evidenzbasierte antidepressive Therapie zur Verfügung steht, nachdem in einer Studie mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) bei herzinsuffizienten Patienten kein Benefit nachgewiesen werden konnte", so Angermann. Zurzeit laufen einige randomisierte Studien, um die Wirkung einer Psychotherapie zu untersuchen. Ein wichtiges Therapieprinzip sei regelmäßiges körperliches Training und die persönliche Zuwendung durch den Arzt oder das Team.

Posttraumatische Belastungsstörung ist häufig

Die meisten KHK-Patienten haben ein vital bedrohliches kardiovaskuläres Ereignis, nämlich einen Infarkt durchgemacht, sodass auch ein deutlich erhöhtes PTBS-Risiko vorliegt. Die Prävalenz einer PTBS nach einem Herzinfarkt beträgt 15%, und von allen Herzpatienten sind ca. 10% betroffen. Umgekehrt ist jede PTBS unabhängig vom auslösenden Ereignis ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse. PTBS-Patienten haben häufiger Infarkte und benötigen häufiger eine Bypassoperation. Und auch bei Patienten mit Defibrillator-Implantat (ICD) verschlechtert eine PTBS die Überlebenschance.

Definitionsgemäß spricht man von einer PTBS, wenn die entsprechende Symptomatik mindestens einen Monat nach dem traumatischen Ereignis anhält. Typisch sind Wiedererinnerungen (Flashbacks), Vermeidungsverhalten, emotionale Abflachung und Übererregbarkeit, was zu einer bedeutsamen funktionellen Einschränkung in wichtigen Lebensbereichen führt. Betroffene leiden unter Albträumen, vermeiden Situationen, die an den Herzinfarkt erinnern, sind dauernd in erhöhter Alarmbereitschaft bzw. schreckhaft und sie entfremden sich von ihren Mitmenschen. Es empfiehlt sich, bei allen Post-Infarktpatienten nach solchen Symptomen zu fahnden.