The time to act is now! Diese Aufforderung zum sofortigen Handeln beinhalten viele Titel wissenschaftlicher Publikationen. Eine Analyse zeigt, wie weit es mit der Dringlichkeit her ist.

Beim Durchblättern medizinisch-wissenschaftlicher Journals stellt sich bisweilen die Frage, wie dringend der behauptete Handlungsbedarf wirklich ist. Um dem im Rahmen einer Studie nachzugehen, wurden mittels PubMed 512 Artikel, die in ihrer Überschrift die Notwendigkeit für ein rasches Handeln zum Ausdruck bringen, für ein Review ausgewählt. Dabei fiel sofort auf, dass sich die Zahl der Publikationen mit diesem Label in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat, von 26 auf 52.

Die Auswertung zeigte, dass keinerlei Zusammenhang zwischen dem plakativ artikulierten Handlungsbedarf und der Schwere, der Häufigkeit bzw. der Bedeutung des Problems bestand. Besonders oft fanden sich solche Aufmerksamkeit heischenden Überschriften in der Weihnachtszeit und im ersten Quartal des Jahres. Warum gerade in diesen Zeiten sofort gehandelt werden sollte, blieb meist unklar. Nur eine Arbeit mit dem Thema "Alkohol bei Älteren: The time to act is now" verspricht einen gewissen Zusammenhang mit den Feiertagen. Die "time to act" dürfte meist nur als Aufhänger für Weihnachts- oder Neujahrswünsche gedient haben.

Quelle: Ford N, Brigden G, Ellman T, Mills EJ. The time to act is now: pseudo-systematic review. BMJ. 2020;371:m4143

MMW-Kommentar

Der Aufforderung zu "handeln", und zwar "jetzt", begegnet dem Arzt mehr oder weniger täglich. Dabei werden oft Versäumnisse oder Missstände angeprangert. Doch was konkret anders gemacht werden soll, bleibt selbst dem aufmerksamen Leser oft verborgen oder ist auch nicht gerade besonders relevant. Vielfach geht es bei diesem Etikettenschwindel nur um Effekthascherei bzw. Wichtigtuerei.

Seien wir also kritisch, wenn wir zum sofortigen Handeln oder Umdenken aufgefordert werden. Oft verbirgt sich dahinter nur ein Imponiergehabe der Wissenschaft. Das Fazit der Studie lautet: "Now is as good a time as any". Und "the time to act is later", vielleicht "after a nap".

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Dr. med. P. Stiefelhagen

Internist, Hachenburg