Ein gepflegter 57-jähriger Mann bemerkte eine wunde Stelle am linken Zungenrand und vermutete einen Zusammenhang mit einem scharfkantigen Zahn im Unterkiefer. Sein Zahnarzt extrahierte den Zahn 37. Dennoch nahm die schmerzlose Wucherung an der Zunge weiter an Größe zu.

Nach einigen Wochen führte ein niedergelassener HNO-Arzt eine Biopsie durch. Die histologische Untersuchung ergab ein auf humanes Papillomvirus (HPV) negatives Plattenepithelkarzinom. Die üblichen Risikofaktoren wie Nikotin- und/oder Alkoholabusus lagen bei dem Patienten nicht vor.

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© P. R. Issing

Die Zunge war komplett beweglich; der Zungenkörper imponierte palpatorisch weich. Klinisch und sonografisch ließen sich keine pathologischen Lymphknoten am Hals nachweisen. Nach einer Panendoskopie zum Ausschluss eines synchronen Zweittumors erfolgte die transorale Tumorresektion. Auf eine Neck dissection, einer Entfernung aller Lymphknoten des Halses, bei der ggf. auch umliegende Gewebe entfernt werden, wurde zum Zeitpunkt der Operation verzichtet. Mit dem Patienten wurden engmaschige Kontrollen vereinbart.

Plattenepithelkarzinome des Kopf-Hals-Bereichs sind meist noxenassoziiert. Allerdings ist mit den HPV-induzierten Malignomen des Oropharynx eine neue Entität beschrieben worden, die in der Regel eine bessere Prognose hat und der möglicherweise - analog etwa zum HPV-induzierten Zervixkarzinom - mit der HPV-Impfung vorgebeugt werden kann. Es werden aber auch immer wieder Fälle ohne greifbare Ätiologie wie in unserem Fall beobachtet. Spekulativ bleibt die vom Patienten angegebene Irritation durch den später entfernten Zahn als mögliche Ursache.

Therapeutisch sind in den frühen Stadien die Chirurgie und die Strahlentherapie mit vergleichbaren Ergebnissen möglich. Bei Befall der Lymphknoten - die Zunge hat einen bilateralen Lymphabfluss - ist in Abhängigkeit von der Lokalisation des Primärtumors nach einer systematischen Ausräumung der Lymphknotenstationen, meist der Level I, II, III und IV, eine Strahlentherapie notwendig.

Fazit: Bei Patienten mit unklaren Schleimhautveränderungen ist eine histologische Sicherung anzustreben.

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Prof. Dr. med.

Peter R. Issing

Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- Hals- und plastische Gesichtschirurgie, Klinikum Bad Hersfeld, Seilerweg 29, D-36251 Bad Hersfeld