In der dunklen Jahreszeit steigt das Risiko für eine saisonal bedingte Depression, die meist mild ausgeprägt ist, aber auch mit stärkeren Symptomen wie Erschöpfung, Angstzuständen oder Konzentrationsstörungen einhergehen kann. Die gleichen Symptome treten aktuell auch im Zuge der COVID-19-Pandemie vermehrt auf, ausgelöst durch starke Verunsicherung, soziale Isolation und den Mangel an stimmungshebenden Aktivitäten. Risikogruppen für Eisenmangel sind vom "Winterblues" und der "Corona-Traurigkeit" häufiger betroffen. Da stellt sich die Frage: Spielt das Spurenelement Eisen eine Rolle bei Depression?

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Eisenmangel kann zu Antriebslosigkeit, Müdigkeit und Depressionen führen.

Eisen ist das mengenmäßig häufigste Spurenelement im Körper fast aller Lebewesen und wird für zahlreiche lebenswichtige Funktionen benötigt, darunter Sauerstofftransport, Energiestoffwechsel und DNA-Synthese [1]. Ein Eisenmangel ist beim Menschen der weltweit am häufigsten vorkommende Mangel an einzelnen Nährstoffen und führt zu einer Anämie, einer beeinträchtigten Immunfunktion, einer Fatigue sowie bei Kindern zur Verzögerung ihrer motorischen und mentalen Funktion [2].

Depressive Episoden und rezidivierende depressive Störungen sind Krankheitsbilder, die mit den Hauptsymptomen depressive Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit einhergehen. Die Prävalenz von depressiven Störungen nimmt in westlichen Ländern in den letzten Jahren beständig zu (Deutschland: von 12,5% im Jahr 2009 auf 15,7% im Jahr 2017) [3]. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer, wobei die Prävalenz bei Männern im Vergleich zu Frauen stärker ansteigt. Aktuelle Studien aus den USA zeigen zudem, dass das Risiko für eine Depression bis zu dreimal höher ist als vor der COVID-19-Pandemie [4].

Eine Depression kann nie auf genau eine Ursache zurückgeführt werden, sondern ist multifaktoriell bedingt. Dabei spielen offenbar genetische Faktoren, strukturell-morphologische Gehirnveränderungen, hormonelle Umstellungen sowie belastende Lebensereignisse zusammen. Neurobiologisch wird die Depression meist mit einem Serotonin-/Noradrenalinmangel erklärt und mit Medikamenten, die bei der Synthese der "Glückshormone" ansetzen, behandelt. Die Serotoninmangelhypothese wird allerdings zunehmend kritisch gesehen. Aktuell werden komplexere Mechanismen diskutiert, wobei der eisenabhängigen Neurotransmittersynthese weiter eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Depression zugeschrieben wird [6].

Eisen im Gehirn

In der Entwicklung des Gehirns ist Eisen für die Myelinisierung der weißen Substanz sowie der Entwicklung und Funktionsweise der verschiedenen Neurotransmittersysteme, einschließlich der Dopamin-, Noradrenalin- und Serotonin-Systems, verantwortlich. Beispielsweise werden die ersten Schritte bei der Bildung der Neurotransmitter Serotonin bzw. Katecholamin von den eisenabhängigen Schrittmacherenzymen Tryptophanhydroxylase und Tyrosinhydroxylase initiiert [5] (Abb. 1). Die medizinische Rolle von Eisen im Gehirn ist in den letzten Jahren als Forschungsgebiet in den Fokus gerückt, da offenbar ein Mangel, eine Überladung oder eine Umverteilung von Eisen mit einigen Krankheiten assoziiert ist [7]. Unter anderem geht man davon aus, dass ein früher Eisenmangel das Risiko einer psychiatrischen Morbidität im späteren Leben erhöht [3].

Abb. 1
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© P. Nielsen

Die Synthesen von Dopamin und Serotonin.

Abb. 1 Für die ersten Schritte bei der Synthese der Neurotransmitter sind die eisenabhängigen Enzyme Tyrosinhydroxylase und Tryptophanhydroxylase verantwortlich [5].

Eisenmangel und Depression

Verschiedene Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Eisenmangel mit und ohne Anämie und dem Auftreten einer Depression.

So zeigte eine Fall-Kontroll-Studie mit ca. 3.000 Teilnehmern in Taiwan für Patienten mit Eisenmangelanämie ein höheres Risiko für verschiedene psychiatrische Störungen, einschließlich Stimmungsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen und unipolare depressive Störungen [8].

Eine klinikbasierte Fall-Kontroll-Studie assoziierte zudem bei 100 Fällen eine Verbindung zwischen einer Eisenmangelanämie und einer depressiven Störung, bei der die Schwere der Symptome der depressiven Störung mit dem Grad des Eisenmangels zunahm [9]. Eine Online-Umfrage in Japan, bei der der Eisenstatus der 11.876 Teilnehmer bekannt war und 1.000 Teilnehmer angaben, in der Vergangenheit an einer Depression erkrankt gewesen zu sein, machte ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der angegebenen Eisenmangelanämie sowie der Depressionsgeschichte der Teilnehmer sichtbar [10].

In einer prospektiven, monozentrischen Studie in Österreich mit 98 Teilnehmern, die an einer chronischen Darmentzündung litten, wurde des Weiteren gezeigt, dass Patienten mit Eisenmangel oder Anämie unabhängig von der chronischen Entzündung häufiger depressiv und erschöpft waren [11].

Darüber hinaus wird Eisenmangel mit und ohne Anämie schon seit längerem als wesentliche Ursache für die Post-partum-Depression (PPD) gesehen. Eine aktuelle Metaanalyse zeigte eine hochsignifikante Assoziation zwischen einer Post-partum-Anämie und einer Depression [12]. Dass eine Eisentherapie bei PPD akut helfen kann, zeigte eine randomisierte, placebokontrollierte Studie, bei der 70 Mütter mit PPD eine Woche nach Entbindung mit Eisen (50 mg/d) oder Placebo behandelt wurden. Nach 6 Wochen bewirkte die Eisentherapie eine signifikante Verbesserung der PPD mit einer Verbesserungsrate von 43% [13].

Eine Eisentherapie kann sich ebenfalls positiv auf eine Fatigue auswirken. Dies wurde in einer randomisierten, placebokontrollierten Studie mit 136 Frauen ohne Anämie mit Speichereisenmangel gezeigt. Unter Eisenmedikation wurde die Fatigue der Teilnehmerinnen mit einem initialen Ferritin-Wert < 50 µg/l signifikant verbessert [14]. Dieser Interventionswert liegt leicht oberhalb des Definitionsbereichs von Speichereisenmangel (Ferritin < 30 µg/l), wird aber auch bei anderen Symptomen von Eisenmangel (z. B. Restless-Legs-Syndrom) empfohlen.

Auch wenn sicher noch weiterer Forschungsbedarf zum Zusammenhang von Eisen und Depressionen besteht, sollte jeder nachgewiesene Eisenmangel - v. a. bei schwangeren Frauen - durch eine verbesserte Ernährung oder eine entsprechend angepasste Supplementation frühzeitig ausgeglichen werden.

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Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Nielsen

Ehemaliger Leiter Eisenstoffwechselambulanz

UKE, Hamburg