Ein 62 Jahre alter Patient berichtet montagmorgens über eine Sehverschlechterung am rechten Auge. Begonnen habe alles mit vereinzelten Blitzen am Freitag, die selbstständig sistierten. Am Wochenende seien ihm schwarze Punkte im Gesichtsfeld aufgefallen. Seit heute sieht er einen dunklen Schatten von unten. In letzter Zeit habe er viel Stress gehabt.

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© Augenklinik des Klinikums der Universität München

Foto des Augenhintergrunds bei Netzhautablösung.

Die Ursachen für einen akuten Sehverlust können in drei Hauptgruppen eingeteilt werden:

  • Trübungen von sonst durchsichtigen Strukturen, z. B. Glaskörperblutung, Hornhauttrübung bei Glaukomanfall, Keratitis, Endophthalmitis;

  • Veränderungen an der Retina, z. B. Ablatio retinae, Arterienverschlüsse, Venenverschlüsse, altersbedingte Makuladegeneration, subretinale Blutung;

  • Schädigung des Sehnervens oder der Sehbahn, z. B. anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION), Neuritis nervi optici, Migräne ophthalmique, Amaurosis fugax, TIA, Apoplex.

Was muss der Hausarzt abklären?

Eine endgültige Diagnosestellung ist in der Hausarztpraxis meist nicht möglich. Die Aufgabe des Hausarztes besteht darin, die Dringlichkeit einzuschätzen und die richtigen Schritte einzuleiten.

In der Anamnese ist zu klären, wie lange die entsprechenden Symptome bestehen und ob sie persistieren oder sich eventuell selbstständig komplett zurückgebildet haben. Abgefragt werden sollte auch, ob beide oder nur ein Auge betroffen sind bzw. ob der akute Sehverlust schmerzhaft oder schmerzlos ist.

Ein schmerzhafter, einseitiger, akuter Sehverlust lässt an eine Ursache im Bereich des vorderen Augenabschnitts, z. B. einen Glaukomanfall, eine Uveitis anterior oder eine Erosio corneae denken. Eine druckdolente und verhärtete A. temporalis sowie Kauschmerzen bei einseitigem, akutem Sehverlust lassen eine anteriore ischämische Optikusneuropathie im Rahmen einer Riesenzellarteriitis (früher Arteriitis temporalis oder Morbus Horton) vermuten. Sind beide Augen von einem akuten Sehverlust betroffen, ist eine Fingerperimetrie zur Aufdeckung von homonymen Gesichtsfeldausfällen hilfreich.

Wie weiter vorgehen?

Ein akuter Sehverlust stellt immer eine Red Flag dar. Ein rasches Handeln ist erforderlich. Ein Patient mit zeitlich begrenztem, einseitigem oder beidseitigem akutem Sehverlust und vollständiger Erholung muss sofort an eine neurologische Klinik überwiesen werden. Eine solche Anamnese ist als Amaurosis fugax im Sinne einer TIA zu werten. Bei akutem beidseitigen, homonymen Gesichtsfeldausfällen ist von einem Apoplex auszugehen. Zusätzlich können weitere neurologische Symptome wie Parästhesien, Dysarthrie oder Paresen bestehen. Ein solcher Patient ist mit dem Notarzt in eine neurologische Klinik einzuweisen.

Ein Patient mit akutem, einseitigem, schmerzlosen oder schmerzhaften Sehverlust muss dringend an einen Augenarzt oder eine Augenklinik weiterüberwiesen werden zur weiteren Abklärung, Diagnosesicherung und Einleitung der adäquaten Therapie.

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Dr. med. Matthias Nobl

Augenklinik des Klinikums der Universität München